Denkmalschutz:Bürgerhäuser vor dem Abriss

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Zwei Gebäude in der Schöngeisinger Straße in Bruck müssen wesentlich größeren Neubauten weichen. Das Heim des Erzgießers Stiglmayr konnte nicht unter Denkmalschutz gestellt werden

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Wieder verschwinden zwei alte Häuser aus dem Stadtbild. Diesmal in der Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck. Sie werden demnächst abgerissen, um Platz für wesentlich größere Wohnhäuser zu schaffen. Wie alt die beiden Häuser sind, lasse sich schwer feststellen, sagt Stadtbaumeister Martin Kornacher. Im Kern könnten die Gebäude jedoch an die 200 Jahre alt sein. Im kleinen Haus hat der berühmte Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier (1791-1844) gelebt.

Auf den ersten Blick wirken beide Häuser eher unscheinbar, die alte Substanz ist aufgrund von Umbauten, ausgewechselten Fenstern und Türen nicht gleich erkennbar. Das Haus in der Schöngeisinger Straße 12 neben dem Bexenhaus erhielt irgendwann einen grauen Vorbau für die Ladenfront im Erdgeschoss. Im Fenster hängt ein Schild, auf dem ein neues Wohnhaus angekündigt wird, allerdings gibt es bislang nur eine Vorplanung, wie eine Mitarbeiterin der Immobilienfirma in Geltendorf erklärte. Die Stadt hat mithilfe ihrer Vorkaufsatzung einen Vertrag mit dem Eigentümer ausgehandelt. Demnach müssen auch geförderte, günstigere Wohnungen entstehen. "Wir warten darauf, dass der Bauantrag kommt", sagt Kornacher.

Das Gebäude in der Schöngeisinger Straße 5 neben dem Modehaus Fuchsweber beherbergt im Erdgeschoss eine Galerie. Für Abriss und Neubau liegt bereits Baugenehmigungen vor. Wie groß das neue Haus wird, will der Stadtbaumeister aus Datenschutz-Gründen nicht verraten. "Es ist deutlich mehr möglich als jetzt und wird etwa so hoch wie der Fuchsweber daneben", sagt er lediglich. Weil für das Gebiet kein Bebauungsplan existiere, dürfe sich der Bauherr an der Größe der umgebenden Gebäude orientieren.

Nach der "Dirnagelschen Häuserchronik", die im Stadtarchiv liegt, waren beide Grundstücke mindestens schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bebaut. Die Anwesen wechselten immer wieder die Besitzer, Anbauten, Umbauten oder gar Neubauten sind in der Chronik, die der Brucker Handwerker Jakob Dirnagl Ende des 19. Jahrhunderts anfertigte, nicht verzeichnet. Mangels anderer Unterlagen im Stadtarchiv lässt sich nicht sagen, wie alt die beiden Häuser sind. Von dem Gebäude in der Schöngeisinger Straße 12 existiert immerhin ein Grundriss vom November 1898, als das Anwesen an die neue Kanalisation angeschlossen werden sollte. Ein Vergleich mit dem aktuellen Bau zeigt, dass der hintere Bereich des Hauses später etwas vergrößert wurde.

Im Bürgerhaus war bis vor Kurzem noch ein Bekleidungsgeschäft untergebracht. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf jeden Fall entsprechen beide Gebäude einem Baustil, der sich über Jahrhunderte entwickelt hat und für Bürgerhäuser in dieser Gegend einst typisch war. Es handelt sich um kleine Häuser mit maximal zwei Geschossen und Dachgeschoss. Die Dächer sind steil und waren früher mit Stroh gedeckt, bevor man dieses durch Ziegel ersetzte, schon um die Brandgefahr zu mindern. Der Dachstuhl besteht aus lauter stehenden Dreiecken, deshalb kann ein solches Sparrendach nicht über den Giebel hinausragen wie bei oberbayerischen Bauernhöfen mit ihren auf den Längsseiten stehenden Pfetten. Ein Prototyp solcher Bürgerhäuser ist das Brameshuber in der Hauptstraße.

Das Haus in der Schöngeisinger Straße wäre wegen des berühmten Erzgießers für die Stadtgeschichte bedeutsam. In der Häuserchronik sind ab 1716 Angehörige der Familie Stiglmaier als Besitzer verzeichnet, deren männliche Angehörige als Hufschmiede ausgewiesen sind. 1782 ging das Anwesen auf Augustin Stiglmaier über, mit Bleistift ist schriftlich ergänzt, dass es sich um den Vater von Johann Baptist Stiglmayr handelt. Wie üblich in alten Dokumenten, variiert die Schreibweise der Namen.

So bedauerlich das Verschwinden alter Bausubstanz ist, die Kommune hat nur wenige Möglichkeiten einzugreifen. Keines der beiden Gebäude steht unter Denkmalschutz. Dazu wurde die Substanz vermutlich schon zu stark verändert, um nicht zu sagen verhunzt. Im Fall des Stiglmayr-Hauses habe man "lang und breit" diskutiert, auch mit dem Landesamt für Denkmalschutz, erzählt Kornacher. "Aber da war nichts zu machen."

Beide Gebäude gehören zu jenem Häusertyp, der im 18. Jahrhundert errichtet wurde, und lange prägend war für Bruck, sagt Susanne Poller, die Kreisheimatpflegerin. "Es sind einfache Handwerkerhäuser, wie man sie auch auf dem Stich von Michael Wening sieht." Ende des 19. Jahrhunderts kamen dann stattlichere Bürgerhäuser auf. Poller bedauert, dass das Geburtshaus von Stiglmaier abgerissen wird. Zwar könne man wenig machen, weil das Gebäude keinen Bestandsschutz hat und für eine Aufnahme in die Denkmalliste schon zu stark verändert sei. "Dennoch es ist einfach unbefriedigend, wenn solche Zeugnisse der Stadtgeschichte verschwinden", sagte die Architektin. Was für ein Schmuckstück ein solches Haus sein kann, zeigt das Gebäude gegenüber, kenntlich an einem Erker, in dem ein Optiker untergebracht ist.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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