Beruf:Kehrtwende Richtung Karriere

Lesezeit: 3 min

In Überacker wird ein Integrationsprojekt für jugendliche Langzeitarbeitslose fortgesetzt. Zwölf vom Jobcenter vermittelte junge Frauen und Männer pauken und arbeiten zehn Monate lang in Überacker. Ziele sind Schulabschluss und Ausbildungsreife

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck/Maisach

Wenn Menschen von einer Idee besessen sind, dann muss man sich meist Sorgen machen. Peter Steger ist besessen von seinem Herzensprojekt "Starthilfe". Sorgen muss sich aber niemand machen. Im Gegenteil: Vielmehr dürften es zwölf Jugendliche aus dem Landkreis vor allem ihm zu verdanken haben, dass ihre Chancen steigen, doch noch einen Mittelschulabschluss oder sogar einen Quali zu schaffen und in eine berufliche Karriere starten zu können. Mit dem 54 Jahre alten Kfz-Meister an einem Strang ziehen der Brucker Verein Sprint, das Jugendamt und das Jobcenter. Sie stellten das "wiederbelebte" Projekt, das an diesem Montag beginnt, vor.

So seh'n Sieger aus: Das Race-Team von 2016 nach dem Gewinn des 24-Stunden-Rennens in Langensteinbach. (Foto: Claus Fischer/oh)

Es sprudelt nur so heraus aus Steger. Gebannt hören ihm Landrat Thomas Karmasin, die fürs Jugendamt zuständige Abteilungsleiterin Franziska Hohenadl, Sprint-Vorsitzender Manfred Fock, Jobcenterchefin Claudia Baubkus sowie mehrere Kollegen zu. Sie alle wissen längst, dass dieses Projekt wirklich etwas bewirkt. Ein Jahr war "Starthilfe" eingeschlafen, weil von den Trägern aus dem Bereich Jugendhilfe mittlerweile eine Zertifizierung abverlangt wird, um in den Genuss von Zuschüssen zu kommen. Der Brucker Kreisjugendring, der sich seit neun Jahren um das Projekt gekümmert hatte, musste passen. Weil auch noch eine der Hauptstützen - Diakon Ullrich Gottwald - nach Augsburg wechselte, sah es ein paar Monate zappenduster aus. Bis Peter Steger, der in Überacker mit einem Partner die Werkstatt R&R-Autotechnik als "Projektbasis" führt, sich von mehreren Fürsprechern davon überzeugen ließ, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Der Brucker Verein Sprint kam als bewährter Kooperationspartner des Jobcenters ins Spiel und hatte nach knapp drei Monaten alle formalen Hürden der vom Tüv Südbayern abgenommenen Zertifizierung genommen.

Jugendliche bei einem Arbeitseinsatz im Fußbergmoos. (Foto: privat)

Und so funktioniert "Starthilfe": Das Jobcenter vermittelt mindestens neun und maximal 15 junge Erwachsene, die die Schule abgebrochen haben und auf eine "Hartz-IV-Karriere" zusteuern. Alle Teilnehmer haben sich zu der Maßnahme freiwillig gemeldet. Zehn Monate lang werden sie von Montag bis Freitag um 8.30 Uhr mit einem Kleinbus von der S-Bahn-Station Maisach abgeholt und zu der Werkstatt in Überacker gebracht. Vormittags werden sie in einem Nebengebäude in Mathe, Deutsch, Geschichte sowie Arbeit-Wirtschaft-Technik unterrichtet - vorrangig vom pensionierten Lehrer Ekkehard Pfeiffer, 74. Nachmittags widmen sie sich dann praktischer Tätigkeit oder auch Organisationsarbeit (zum Beispiel Briefe im Zuge der Sponsorensuche für das Race-Projekt verfassen oder das 24-Stunden-Rennen vorbereiten - siehe Kasten). Die Jugendlichen lernen durchaus auch, dass man sich nicht zu schade sein sollte, auch mal einen Besen zur Hand nehmen. Dadurch, dass sie ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, erkennen sie schnell, wofür es sich zu lernen lohnt. Gegen 17 Uhr werden sie wieder zur S-Bahn gebracht. Komplettiert wird das Starthilfe-Dreigestirn von Steger und dem ebenfalls im Kraftfahrzeughandwerk ausgebildeten Sozialpädagogen Herbert Ringe, der immer Kontakt hält zu seiner Sprint-Kollegin Karen Adomeit.

Ekkehard Pfeiffer ist im Betreuerteam geblieben. (Foto: Stefan Salger)

Diesen Montag werden acht junge Männer und vier Frauen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren beginnen - darunter vier Flüchtlinge, die bereits ordentlich Deutsch sprechen. Die freien Plätze können im weiteren Verlauf noch nachbesetzt werden. Als erste Projektarbeit ist der Bau von Igelhäusern geplant, die dann von den Kursteilnehmern in Kindergärten persönlich verteilt werden - was wiederum direkte Anerkennung für die geleistete Handwerksarbeit bringen soll.

Bestätigen sich die Erfahrungen der vergangenen Jahre, dann werden 70 Prozent der Teilnehmer nach zehn Monaten Starthilfe als externe Prüflinge an der Schule in Maisach ihren Mittelschulabschluss oder sogar den Quali schaffen. Üblich sind nach Worten von Claudia Baubkus bei Jugendintegrationsmaßnahmen eher 15 Prozent. Deshalb weiß sie, dass die 1200 Euro, die das Jobcenter pro Monat und Teilnehmer zahlt, gut angelegt sind. Und sie weiß den "360-Grad-Blick als Schlüssel zum Erfolg" zu schätzen - Starthilfe ist nicht nur fokussiert auf Schule oder Ausbildung, sondern will Jugendamt, Elternhaus, Betriebe und vor allem auch die Jugendlichen selbst mit einbinden. Vermittlungshemmnisse, wie sie Baubkus von Schulabbrechern nur zu gut kennt, werden abgebaut. Wer bei Starthilfe mitgemacht hat, der hat zudem kaum noch Probleme mit Drogen oder mit Alkohol und hat gelernt, wie wichtig Pünktlichkeit, Engagement, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sind.

Peter Steger ist dabei weit mehr als ein Handwerksmeister. Für viele Jugendliche ist er eher ein väterlicher Freund - und in einigen Fällen in den zurückliegenden Jahren ist er auch ganz offiziell der Lehrherr von Starthilfe-Absolventen geworden. "Ist ja klar", sagt Steger und lacht, "die Besten picke ich mir natürlich gleich als Lehrlinge für unseren Betrieb raus." Alles in allem sei Starthilfe auch für ihn "eine brutal tolle Erfahrung."

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: