Ausbildung:Lehrstellen ohne Bewerber

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Zu Beginn des Ausbildungsjahres sind im Landkreis noch 270 Plätze frei - so viele wie noch nie. Ein Problem bei deren Besetzung ist, dass viele Jugendliche einem akademischen Beruf den Vorzug geben

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Am Donnerstag hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Doch noch immer sind im Landkreis Fürstenfeldbruck viele Lehrstellen frei - so viele wie noch nie zuvor. 270 unbesetzte Ausbildungsplätze zum Zeitpunkt, zu dem das Ausbildungsjahr bereits begonnen hat, bedeuten für den Landkreis nicht nur eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um mehr als drei Prozent, sondern sogar einen neuen Höchstwert. Betroffen sind viele Branchen in Industrie, Handel und Handwerk. Ihnen wird damit auch der vorherrschende Trend zur Akademisierung zum Verhängnis.

296 Jugendliche haben im Landkreis zum 1. September eine Lehre bei einem der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern angehörenden Unternehmen begonnen. Das sind 40 Ausbildungsverträge weniger als im Vorjahr, was einem Rückgang von fast zwölf Prozent entspreche, meldet die IHK voller Sorge. Ursprünglich wollten die Unternehmen im Landkreis für diesem Herbst insgesamt 837 Lehrlinge einstellen, nun aber ist noch immer ein Drittel der Ausbildungsplätze unbesetzt. Damit bewegt sich Fürstenfeldbruck ziemlich genau im oberbayerischen Durchschnitt.

Einen Grund für diese Entwicklung sieht Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Fürstenfeldbruck, in stagnierenden Schulabgängerzahlen an den Mittelschulen, die traditionell das Reservoir für die Ausbildungsberufe bilden. Der anhaltende Trend zu mehr Schulbildung und akademischer Ausbildung wird für Berufe in Handwerk und Handel zunehmend zu einem Problem. Auch die Eltern würden Gymnasium und Abitur bevorzugen und ihren Kindern vermitteln, dass ihnen "damit die Welt offen steht", ist die Erfahrung von Werner Nau. Die meisten Eltern wollten gar nicht, dass das Kind beispielsweise Bäcker werde, sagt der Vorsitzende der Bäckerinnung im Landkreis: "Aber auch wir brauchen hoch qualifizierte Kräfte." Nau verweist darauf, dass auch ein Bäckermeister mittlerweile die Berechtigung zum Studium habe.

In seiner Branche, sagt Nau, sei die Zahl der Lehrlinge landkreisweit noch einmal um 30 Prozent gesunken. Er schätzt die Zahl der unbesetzten Lehrstellen in den Bäckereien im Landkreis auf etwa 20. Davon betroffen ist die Ausbildung zum Bäcker ebenso wie die zum Bäckereifachverkäufer. 14 neue Lehrlinge in den Bereichen Verkauf, Bäckerei und Konditorei hat heuer Rackls Backstubn mit Sitz in Olching eingestellt. Allerdings bietet der Betrieb in allen Bereichen noch Ausbildungsplätze an. Bei den Metzgern ist die Situation vergleichbar. Solche Berufe, mutmaßt Nau, entsprächen "nicht dem Ideal der Jugend". Diese wollte lieber in die IT-Branche. Dabei seien Berufe wie der des Bäckers "ein krisensicherer Job in der Nähe".

Besser sieht es bei den Schreinern aus. Die haben laut Franz Höfelsauer, Öffentlichkeitsbeauftragter der Kreishandwerkerschaft, "einen guten Zulauf". Über das Berufsgrundschuljahr, unter anderem für Holzberufe verpflichtend in Bayern eingeführt, bestehe zudem die Möglichkeit, zu sondieren, wie viele Lehrlinge im kommenden Jahr zur Verfügung stünden, sagt Höfelsauer. Auch bei den Friseuren scheint sich die Lage zu bessern. "Wir sind überrascht", sagt Innungschef Josef Wieser, der jetzt fünf neue Lehrlinge einstellen konnte - so viele wie seit Jahren nicht mehr. Möglicherweise könne seine Branche davon profitieren, dass "Mode, Schönheit, Körperbewusstsein wichtiger geworden" seien. Allerdings würden Friseurbetriebe in Bayern ihren Auszubildenden im dritten Jahr mit 720 Euro auch deutlich mehr bezahlen als andere Bundesländer.

Während früher Ausbildungsverträge spätestens im Februar unter Dach und Fach waren, werden die Verträge heute immer später geschlossen, weil viele potenzielle Lehrlinge "unschlüssiger" seien, hat Wieser beobachtet. Um auch Berufswechslern eine Chance zu geben, stellen die Betriebe oft auch noch nach dem klassischen Ausbildungsbeginn am 1. September Lehrlinge ein. Michael Steinbauer von der IHK sieht auch Schulen und Eltern in der Pflicht. Sie müssten die Botschaft, dass auch "Lehre Karriere bedeutet und mit einer abgeschlossenen Ausbildung alle Entwicklungsmöglichkeiten offen stehen", den Jugendlichen besser vermitteln. Für viele Betriebe seien die Berufsinformationsmessen, wie sie manche Schulen inzwischen veranstalten, oftmals ein erfolgreicher Weg, um Lehrlinge zu akquirieren, ergänzt Franz Höfelsauer.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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