Auf dem Volksfest:Schnaufen und lupfen

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In Olching treten ziemlich starke Männer gegeneinander an. Beim Steinheben sollen sie schwere Gewichte in die Höhe hieven. Wer gewinnt, ist bayerischer Meister. Ein paar Dutzend Fans und Neugierige begutachten das Spektakel

Von Ariane Lindenbach, Olching

Plötzlich Hochsommer am Sonntag: Wer betritt da schon freiwillig nachmittags ein Bierzelt? In Olching sind es immerhin einige Dutzend, die vor allem in den ersten Reihen vor der Bühne sitzen. Es sind überwiegend Leute zwischen 30 und 50, ein paar haben Kinder dabei, manche haben Tätowierungen, und eine Gruppe in der ersten Reihe trägt weiße T-Shirts mit der Aufschrift "Kroftstodl" auf dem Rücken. Die meisten schauen gebannt nach vorne, wenn dort wieder, angefeuert von Kommentator Mathias "Hias" Hill, einer der Männer, muskelbepackt und oft tätowiert, den stählernen Aufbau betritt, und unter höchsten Kraftanstrengungen eines der unfassbar schweren Gewichte in die Höhe hebt. Manche klatschen und rufen begeistert. Die Männer auf der Bühne kämpfen an diesem heißen Nachmittag die Bayerische Meisterschaft im Steinheben aus.

Das Steinheben, wenn auch heute eine Randsportart, die gerne auf Volksfesten ausgetragen wird, ist ein sehr alter Sport. Die Nachweise über das Heben von Steinen als Training und zu Wettkampfzwecken reichen zurück bis zum Beginn der christlichen Zeitrechnung. Bei den olympischen Spielen 1900 gehörte es mit zum Mehrkampf. In Deutschland gibt es seit den Sechzigerjahren einen Landesverband der Steinheber. Ziel bei diesem Kräftemessen ist es, einen 254 Kilogramm schweren Stein höher als die Mitbewerber zu heben. In Olching müssen die Teilnehmer dazu über eine kleine Treppe einen etwa eineinhalb Meter hohen Aufbau betreten. Vorne zur Bühne hin hängt das Gewicht - anstelle eines Steines sind es heute je 25 Kilogramm schwere Eisenplatten - an einem T-förmigen Stahlgriff, den die Wettkämpfer mit beiden Händen anpacken.

Gerade treten die Männer im Mittelgewicht, also 90 bis 100 Kilogramm, an. Aus den Lautsprechern tönen Klassiker aus den Siebzigern, "Born to be wild" und solche Sachen. An Gewicht sind jetzt die klassischen 254 Kilogramm zu lupfen. Ein Muskelbepackter Kerl mit hautengem grünen Muscle-Shirt und Jeans steigt auf den Aufbau. Die Zuschauer klatschen und feuern Alexander Bugl an, während der noch ein paar Mal tief durchatmet, sich mit seinem gesamten Körper bogenförmig nach hinten dehnt. Dann geht er breitbeinig in die Knie, packt den stählernen Griff zwischen seinen Füßen, atmet noch einige Male tief durch, bevor er das Gewicht mit einem Ruck ein Stück in die Höhe reißt. Sein Hals schwillt an, er atmet tief und mit jedem Einatmen reißt er den Griff noch ein Stück weiter hinauf. Der Aufbau fängt leicht zu schwanken an, ist aber fest verankert. Drei, vier, vielleicht fünf Mal geht das so, bevor Bugl das Gewicht wieder absetzt.

"62 Zentimeter", sagt der Hias durch sein Mikrofon und bittet den nächsten auf die Bühne. Die genaue Höhe, um die das Gewicht bewegt wird, liest Kampfrichter Christian Gindhart aus Oberammergau während des Hebens an einer roten Markierung ab, die sich wiederum mit dem Gewicht entlang einer Schiene mit Strichen für Zentimeter und Millimeter bewegt. Am Ende jedes Hebevorgangs raunt Gindhart, kräftig, glatzköpfig und tätowiert, dem "Hias" in seiner Tracht das Ergebnis zu. Der ruft es dann in sein Mikrofon. Die 254 Kilogramm haben die fünf Teilnehmer zwischen 48 und 65 Zentimeter hoch gehoben. Nur Franz Ritzer, dem Hias zufolge in seiner Gewichtsklasse führend, schafft es bei diesem Gewicht noch bis zum Anschlag, das heißt einen Meter hoch. Eine Sirene heult, zwei grüne Scheinwerfer neben Ritzer blinken, das Publikum klatscht.

Mathias Hill, der "urige Hias" wie er sich nennt, ist nicht nur Moderator, sondern auch Veranstalter dieser Meisterschaft auf dem Olchinger Volksfest. Wenn er wieder eine neue Runde einläutet, also das Gewicht um eine Eisenplatte erhöht, sagt er immer, "wir legen jetzt neu auf". Dann betritt er den Aufbau, öffnet die Vorrichtung, an der das Gewicht hängt und befördert dort in die Tiefen des Aufbaus hinein mittels einer Eisenstange eine weitere Eisenplatte. Dann tauscht er die weiße Karte, die von den Zuschauern aus gesehen links von den Wettkämpfern hängt. "279" steht nun schwarz auf weiß darauf.

Jetzt tritt nur noch Franz Ritzer an, auch er mit einem eng anliegenden türkisen Muscle-Shirt bekleidet, das die beträchtlichen Muskeln unter den tätowierten Armen besser zur Geltung bringt. Er greift wie alle Mitstreiter in den gelben Eimer mit dem Magnesia, steigt die Treppe hinauf. Atmet tief durch. Der DJ dreht "We will rock you" lauter auf. Ritzer biegt sich zwei Mal nach hinten durch, bevor er etwas in die Hocke geht. Er atmet ein. Und lupft das Gewicht an. Er atmet. Und lupft. Die Zuschauer klatschen und johlen, während sich der Ritzer Franz Stück für Stück hinaufarbeitet. Er ist schon recht rot im Gesicht, der Hals geschwollen. Der Aufbau wankt etwas. Das Gewicht lässt sich nicht weiter anheben. Er setzt es ab. "Technischer Defekt", sagt der Hias. Und meint damit, dass Ritzer wieder einen Meter gehoben hat. Doch aus irgendeinem Grund gab es diesmal weder Blinklicht noch Sirene.

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(Foto: Günther Reger)

Magnesia für die Hände...

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(Foto: Günther Reger)

...und eine gute Grundlage erleichtern das Heben.

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(Foto: Günther Reger)

Als Moderator im Einsatz: Mathias Hill.

Da Ritzer nun außer Konkurrenz antritt, packt Hill die nächste Eisenplatte drauf. Nach ein paar Minuten Pause, in denen Ritzer im wahrsten Sinne verschnauft, beginnt wieder das gleiche Prozedere mit dem Magnesia, dem Atmen und dem Durchbiegen. Aus den Boxen klingen nun die Glocken von "Hells Bells" von AC/DC. "304 Kilo, das ist schon eine Riesenleistung", macht der Hias den Zuschauern deutlich und bittet um ordentlich Applaus. Unter frenetischem Klatschen hebt Ritzer, der übrigens im Landesverband als Kassier fungiert, das Gewicht Stück für Stück an. Bis auf 67 Zentimeter. "Eine Riesenleistung im Mittelgewicht", sagt der Hias.

Im Leichtgewicht (bis 90 Kilogramm) gewinnt Alexander Bugl, im Mittelgewicht (bis 100) Franz Ritzer, beim Schwergewicht (bis 110) besiegt Thomas Haselsteiner die Konkurrenten und im Superschwergewicht (bis 120) ist Michael Zitzelsberger Erster.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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