Althegnenberg:Mythen, Sagen und altes Handwerk

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Am Tag des offenen Denkmals öffnet die 560 Jahre alte Schmiede in Althegnenberg ihre Türen. Zwischen antiken Ambossen und rußgeschwärzten Zangen tauchen Besucher in eine längst vergangene Zeit ein

Von Julia Bergmann, Althegnenberg

Ludwig Ostermeir erinnert sich noch gut an die Zeiten, als die Schmiede seines Vaters nicht nur Arbeitsstätte, sondern ein Ort des Beisammenseins war. Kaum sahen die Nachbarn Licht in der Werkstatt brennen, kamen die ersten Besucher vorbei. "Gestört hat das nicht, es war gesellig", sagt Ostermeir, der schon im Alter von zwei Jahren mit rußgeschwärzter Nasenspitze die klingenden Schläge des Hammers auf dem glühenden Metall in sich aufgesogen hat.

Noch viel früher, erzählt Kreisheimatpfleger Toni Drexler, waren die Schmieden in den Dörfern gar die wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Orte des Dorfes, oft noch vor der Gastwirtschaft. Die Schmieden standen auf dem Grund der Gemeinden. Vor deren Bildung, 1818, war das der Grund der sogenannten "Gmain", einer Art Dorfparlament. Und in der Schmiede hat man sich getroffen, um wichtige Angelegenheiten zu besprechen, so war es in der Gmain-Ordnung festgeschrieben. "Besonders im Winter, da war es schön warm", sagt Drexler, der die Geschichte der Schmiede in Althegnenberg in einem kleinen Buch festgehalten hat und am Sonntag, dem Tag des Denkmals, auf einer der Touren durch die Schmieden im Landkreis auch in Althegnenberg halt machen wird.

Besucher sind am Tag des offenen Denkmals in der Schmiede in Althegnenberg willkommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Heute hat sich natürlich vieles geändert, Dorfmittelpunkt sind die Schmieden nicht mehr, selbst das Berufsbild hat sich gewandelt. Wo früher noch die Rösser und Ochsen beschlagen wurden, ging man zur Lehrzeit des heute 72-jährigen Schmieds schon dazu über, das Tätigkeitsfeld auf die Landmaschinenmechanik auszuweiten. Heute machen 95 Prozent aller Aufträge Kunstschmiedearbeiten aus, erzählt Ostermeir. Nachgefragt werden vor allem Geländer oder Zäune.

Obwohl sich der Beruf stark verändert hat, gefällt Ludwig Ostermeir seine Arbeit immer noch. Den Beruf ergriff er, weil schon sein Vater und vor ihm sein Großvater Schmied waren. Nicht nur das, die Geschichte der Schmiede und die der Familie hängt seit über 410 Jahren eng zusammen. Die 560Jahre alte Schmiede ist seitdem im Besitz der Ostermeirs, auch sein Sohn Markus ist in die Fußstapfen seiner Ahnen getreten und so wird er die Schmiede in Zukunft in der 13. Generation weiterführen. Wie für deinen Vater war auch für Markus Ostermeir die Berufswahl klare Sache. "Kaum habe ich Werkzeug ins Auto eingeladen, saß er schon vorne drin", erzählt sein Vater.

Bereits seit Tagen bereiten Ludwig und Markus Ostermeir die alte Werkstatt vor. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Für die beiden Busfahrten, die am Sonntag auch zur Ostermeier'schen Schmiede führen, bereiten Vater und Sohn die alte Schmiede schon seit Tagen vor. Der eigentliche Schmiede-Betrieb findet heute einige hundert Meter entfernt in einer größeren Werkstatt statt. Das alte weiß-rote Häuschen in der Schmiedgasse will die Familie dennoch nicht aufgeben. "Es gehört einfach zur Familie", sagt Ostermeir, während er sich in dem Raum umblickt. Dort reiht sich antiker Amboss an Amboss, die vielen Zangen, manche winzig klein und filigran, andere massiv und von enormen Ausmaß, hängen aufgereiht an den Wänden. Den gigantischen Blasebalg, der früher einmal das Feuer in der Schmiede angefacht hat, haben Vater und Sohn erst vor wenigen Tagen für den Tag des offenen Denkmals an der Decke montiert. "Ein Flohmarktkauf. Das Original ist leider nicht mehr erhalten", erklärt Ostermeir. Als 1920 der Strom kam, hat man ihn entsorgt und durch praktikablere elektrische Gebläse ersetzt.

So liegt die alte Schmiede im Herzen des Dorfes und erzählt noch heute von einer anderen Zeit, in der es noch galt, Ringe für Wagenräder anzufertigen und in der die Arbeit des Schmieds noch von heute eigenartig anmutenden Rechten und Pflichten bestimmt war, dem sogenannten Ehaft. "Es gab einige handwerkliche Berufe im Dorf, die einen gewissen rechtlichen Rahmen hatten und einem gewissen Schutz unterlagen", erzählt Drexler. Dazu gehörten vor allem der Bader, der Müller und natürlich der Schmied. So war etwa festgelegt, dass die Dorfbewohner, wenn sie Schmiedearbeiten erledigen lassen wollten, zum ortsansässigen Schmied gingen, dieser musste im Gegenzug festgeschriebene Preise für die jeweiligen Arbeiten verlangen.

"Es war eine Art Grundsicherung", erklärt Drexler. Das entsprechende Dokument für Althegnenberg existiert heute leider nicht mehr, aber ähnliche Verträge aus anderen Gemeinden geben Aufschluss über die Gepflogenheiten der damaligen Zeit. Der Schmiede-Ehaftbrief von 1687 aus Tegernbach etwa schreibt vor, der Dorfschmied habe während der Erntezeit für anfallende Arbeiten jederzeit anwesend zu sein. Aber auch: "Er darf kein Roß ohne Grund "barfuß" von der Schmiede gehen lassen". Im Gegenzug mussten Bauern Eisen, Stahl und Kohlen stellen und dem Schmied jährlich vier Metzen Roggen abgeben.

Für Drexler übt der Beruf des Schmieds seit jeher eine einzigartige Faszination aus. "Es war nicht nur ein Ort der Gemeinschaft, sondern auch der sinnlichen Erfahrung unterschiedlichster Art", erzählt er. "Der dunkle rußgeschwärzte Raum, spärlich erleuchtet durch das rot glühende Schmiedefeuer, dazu der Klang der Hammerschläge auf dem Amboss , vermischt mit den Stimmen der anwesenden Bauern, dem Schnauben der Rösser und dem beißenden Geruch des verbrannten Horns", erinnert er sich zurück.

Nicht nur auf Drexler übt das Schmiedehandwerk diesen Reiz auch. Ganz allgemein umgab den Schmied damals eine ganz besondere Aura, erzählt der Kreisheimatpfleger. "Weil er etwas konnte, was andere nicht konnten, er war in der Lage, hartes Eisen zu formen. Ihn umgab also immer auch etwas Mystisches", erzählt der Kreisheimatpfleger. Auch das hat sich gewandelt. Mit Mystik und Sagen bringt kaum noch jemand dieses Handwerk in Verbindung. Obwohl Ostermeier noch gelernt hat, an Ende eines Tages niemals den Hammer auf dem Amboss liegen zu lassen. "Man hat geglaubt, dass sonst der Teufel seine Ketten durchlagen hätte können", erzählt Ostermeier und schmunzelt.

Zwei Bustouren machen am Tag des offenen Denkmals Halt an der Schmiede in Althegnenberg. Die Fahrt "Altes Handwerk und Gewerbe - Eine Spurensuche im Landkreis" mit Reinlinde Leitz beginnt um 13 Uhr am Landratsamt. Die Busfahrt zu denkmalgeschützten Schmieden mit Toni Drexler beginnt um 13.15 Uhr ebenfalls am Landratsamt. Dort können Besucher für 8 Euro das Buch "Die Schmiede in Althegnenberg" von Toni Drexler kaufen.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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