Althegnenberg:Im Zentrum des Wahnsinns

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In München werden die Irren nicht in einer Anstalt weggesperrt, sondern sie Leben zusammen in Wohngemeinschaften. (Foto: Günther Reger)

In einer sehr gelungenen und amüsanten Inszenierung zeigt die Jugendgruppe der Theaterbühne "D'Henaberger" den Klassiker "Pension Schöller"

Von Manfred Amann, Althegnenberg

Wann ist jemand verrückt? Wenn andere es von ihm glauben, wenn er es selbst von sich glaubt oder wenn gar beides zutrifft? Was ist überhaupt verrückt und was normal? Und sind die Städter möglicherweise verrückter als die Dorfbevölkerung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich aktuell die Jugendgruppe "Spectaculum" der Theaterbühne D'Henaberger auf amüsante Weise in ihrer Inszenierung von "Pension Schöller".

Die pointenreiche Posse von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs wurde 1890 zum ersten Mal aufgeführt und ist seither international ein Bühnenklassiker. Martina Grill, die mit Regieassistentin und Souffleuse Christine Paul das turbulente Verwirrspiel mit den außergewöhnlichen Charakterrollen einstudiert hat, hat die kindgerechte Version "Pension Schöller - Du bist verrückt mein Kind" von Michael Assis (Deutscher Theaterverlag) gewählt, diese wunderbar verfeinert und die Rollen auf die vielen Talente im Spectaculum zugefeilt.

Das Stück basiert auf einer urkomischen Geschichte, die zu seltsamen, manchmal unwirklich oder unmöglich erscheinenden Begegnungen führt. Sie erzählt von der wohlhabenden Phillippa Klapproth, die von Magdalena Schmid hervorragend und ausdrucksstark interpretiert wird. Phillippa wohnt "abgelegen in der Provinz" in Kleinkleckersdorf und will unbedingt einmal nach München - um auch etwas von dem ganz anderen Leben in der Stadt mitzubekommen. Und auch, weil die Apothekerin Paula (Julia Grill), "die Angeberin", gar so von der Stadt und ihren viel besseren Berufs- und Freizeitmöglichkeiten schwärmt.

Als Phillippa erfährt dass in München Irre nicht in einer Anstalt weggesperrt werden, sondern in Wohngemeinschaften leben, will sie das unbedingt sehen. Da kommt ihre Nichte Alfreda (Lucy Mußmann) ins Spiel, die von der Tante Geld für einen Kiosk braucht. Zusammen mit der Tochter der Psychologin Schöller (Selina Strauß), die eine Pension führt, ermöglicht sie der Tante, in einer vermeintlichen Irrenanstalt als normaler Gast unterzukommen. Und im "Schöller" gibt es offensichtlich "Durchgeknallte" und "Bekloppte" en masse: Eine Schriftstellerin (Laura Gaier), die nach Romanstoff sucht und den neuen Gast dazu verleitet, ein irres "Lügenleben" zu erzählen und sich darin zu verstricken. Dann ist da noch ein kampfeslüsterner General (überzeugend gespielt von Paul Neuner), der nur in Uniform und wilhelminischer Pickelhaube als Beschützer auftritt. Dazu kommen eine Weltenbummlerin, mit der Phillippa auf Erlebnisreisen gehen soll und eine Frau, die kein "l" sprechen kann, aber Schauspielerin werden will, und daher "Schinners Gnocke", Romeo und "Junia" und den "Hamnet" übt (eindrucksvoll verkörpert von Annika Strauß).

Und da ist noch die mit schriller und krächzender Stimme von einer Sängerkarriere träumende Nervensäge Fräulein Frieseltanz (hervorragend gespielt von Amy Mußmann). Wenn man sich diese Gäste ansieht, spricht einiges dafür, dass Phillippa gar nicht mal so falsch liegt mit ihrem Urteil: "Alles Verrückte" und letztlich klammheimlich nach Hause verschwindet, wo ihr Mann (Simon Schöpf) und ihre Tochter (Hellena Grill) nun mit der infolge der Erlebnisse offensichtlich verrückt gewordenen Frau umgehen müssen.

Aus all diesen skurrilen Situationen entsteht eine Fülle von komischen Missverständnissen. Und als dann die ganze verrückte Gesellschaft aus der Pension Schöller in Kleinkleckersdorf anrückt, droht Phillippa gänzlich überzuschnappen. Doch es gibt, wie sollte es anders sein, ein unerwartetes und verrücktes Happy End.

Antworten auf die Fragen nach der Verrücktheit bleiben jedoch weitgehend offen. Außer man übernimmt die Ansicht des Stückeschreibers, wonach alles meist nicht so verrückt ist, wie es einem vorkommt, und dass es ganz wesentlich von der eigenen Einstellung und Befindlichkeit, von der jeweiligen Situation und vom eigenen Blickwinkel abhängt, ob einem etwas oder jemand als verrückt erscheint.

Eine weitere Vorstellung ist am Samstag, 12. November, von 18.30 Uhr an in der Mehrzweckhalle Althegnenberg zu sehen

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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