Ärztemangel im Landkreis:Wenn der Doktor nicht mehr kommt

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Hausärzte haben es schwer, Nachfolger zu finden, und die Anzahl derer, die Notdienst tun, schrumpft. Im Landkreis zeigen sich die ersten Auswirkungen einer Überalterung der Mediziner.

Von Kevin Schrein

Wer wissen möchte, ob der Ärztemangel im Landkreis angekommen ist, muss die Praxis von Rainer Fleischer in der Viehmarktstraße in Fürstenfeldbruck aufsuchen. Seit 35 Jahren therapiert der Allgemeinmediziner dort Menschen. Patienten bewerten ihn auf dem Ärzte-Bewertungsportal "Jameda" mit der Note 1,5. Doch Fleischer ist 68 Jahre alt, er möchte endlich in Rente gehen. Seit drei Jahren sucht er einen Nachfolger. Er hat in Ärzteblättern inseriert und war auf drei Veranstaltungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), um einen Nachfolger zu finden. Bei den Treffen kamen auf 100 Ärzte, die ihre Praxis abgeben möchten, 30 Suchende. Fleischer hatte keinen Erfolg. Wenn sich nicht bald jemand meldet, wird die Praxis verschwinden.

Wie Fleischer könnte es künftig vielen Ärzten ergehen. Dem Landkreis droht ein Ärztemangel. Noch sind die Bürger gut versorgt. Doch wie lange noch? Denn es zeigen sich erste Anzeichen eines Mangels. Niedergelassene Ärzte finden schwer Nachfolger. Die Bereitschaftspraxis im Klinikum Fürstenfeldbruck sucht verzweifelt junge Mitarbeiter. Und auch die Notdienstversorgung gerät ins Wanken. "Wir sehen den Beginn der Ärzteüberalterung", sagt Werner Kainzinger, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Fürstenfeldbruck. Bernhard Kofler von der KVB Oberbayern warnt: "Momentan schließt in Bayern jede Woche eine Praxis, ohne einen Nachfolger zu finden."

Die geburtenstarken Jahrgänge verabschieden sich in den Ruhestand, das ist ein Grund für den Ärztemangel. Laut Kreisverbandschef Kainzinger gibt es im Landkreis 285 niedergelassene Ärzte. Mehr als die Hälfte von ihnen ist älter als 51 Jahre. Davon wiederum sind 42 älter als 61 Jahre. Eine Regel aus den Neunzigerjahren, wonach Ärzte spätestens mit 68 Jahren Kassenpraxen schließen mussten, wurde vor wenigen Jahren aufgehoben. Nun arbeiten Ärzte wie Rainer Fleischer noch mit 68 Jahren, um die Versorgung zu sichern.

Der Ärztemangel wirkt sich auch auf den Wert der Praxen aus. Normalerweise verkauft ein Arzt seinen Kundenstamm an den Nachfolger. Doch mangels Interessenten sehen mittlerweile einige Ärzte davon ab. Kainzinger weiß von einem Fall, bei dem "der Kollege nur noch etwas für das Mobiliar der Praxis bekommen hat". Werner Kainzinger selbst hat es da noch gut getroffen. Im April dieses Jahres hat sich der Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO) zur Ruhe gesetzt und die Praxis samt Kundenstamm an einen Nachfolger verkauft. Denn HNO, Orthopädie oder Kardiologie sind offenbar Fachrichtungen, für die sich junge Mediziner entscheiden. Die Ausbildung zum Allgemeinmediziner hingegen, sagt Kainzinger, verliert an Attraktivität. Den Landkreis trifft das hart, weil hier nahezu ähnlich viele Allgemeinmediziner wie Fachärzte arbeiten.

Ein weiterer Grund für den Ärztemangel ist die Vorliebe junger Mediziner, in der Stadt zu arbeiten. Die Stadt Fürstenfeldbruck kann mit Nähe zu München punkten. "Aber im ländlichen Teil des Landkreises wird mittelfristig der Ärztemangel stärker zu spüren sein", prognostiziert Rudolf Summer. Der Leiter des Fachbereichs Gesundheit im Landratsamt Fürstenfeldbruck ist vom Ärztemangel selbst betroffen. Drei Stellen für Mediziner sind in seinem Ressort unbesetzt. Bewerber gibt es keine.

Auch stellt der Ärztemangel nicht nur die niedergelassenen Ärzte kurz vor ihrer Rente vor Herausforderungen. Auch Angelika Bartelheimer ist betroffen. Die Allgemeinmedizinerin koordiniert den Notdienst für das Einzugsgebiet Fürstenfeldbruck, zu dem seit 2013 auch Mammendorf gehört. Es ist eines von fünf Gebieten im Landkreis. Nahezu jeder niedergelassene Kassenarzt ist verpflichtet, Notdienst zu leisten. Die Ärzte fahren nachts von Patient zu Patient. 54 Mediziner sind es in Bartelheimers Einzugsgebiet. "Im vergangenen Jahr hatten wir bei den Ärzten, die Notdienste machen können, einen Rückgang um 20 Prozent", sagt Bartelheimer. Grund dafür ist eine Regelung, wonach Ärzte nur bis zum vollendeten 62. Lebensjahr Notdienst leisten müssen. Außerdem kommen einige jüngere Kollegen wegen körperlicher oder seelischer Probleme nicht mehr in Frage. "Es wird zunehmend schwieriger, den Notdienst aufrecht zu erhalten", klagt Bartelheimer. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat reagiert und versucht mit einem neuen Konzept vom kommenden Jahr an, "den Bereitschaftsdienst flächendeckend sicherzustellen", wie es in einem Schreiben heißt. Künftig müssen auch Fachärzte Notdienst leisten, die bislang befreit waren - darunter Humangenetiker, Nuklearmediziner und Pathologen.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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