Musikszene:München ist für Musiker nicht nur schlecht

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Der Vergleich mit Berlin ist allgegenwärtig - viele Nachwuchskünstler bleiben aber auch ganz bewusst im Süden.

Von Philipp Kreiter

Kürzlich standen Xavier D'Arcy, 21, und Marie Scheiblhuber, 32, gemeinsam auf der Bühne. Besser kennt man die beiden als Darcy und MarieMarie. Sie sollten Songs von Rea Garvey interpretieren, Marie gewann. Beide sind Nachwuchstalente der Popmusik, beide haben ihre Karriere in München begonnen. Der Unterschied: Marie hat die Stadt vor gut einem halben Jahr für Berlin verlassen. Xavier ist München treu.

"Die Szene in München ist sehr klein, es fehlt an externen Einflüssen", sagt Marie auf die Frage, warum sie nach Berlin gegangen ist. Obwohl ihr hier der Durchbruch gelang, hat sie sich musikalisch nie daheim gefühlt, wie sie erzählt: zu klein die Szene, zu spießig das Publikum. "Ich habe mich nie für München entschieden, sondern bin eher zufällig dort geblieben", sagt Marie.

Ähnlich geht es Emmi King. Mit gerade mal 20 Jahren hat sie schon einige Erfolge gefeiert. Mit einer selbst eingespielten und produzierten Platte reiste sie nach London. "Ich dachte, wenn ich schon einmal dort bin, sollte ich in irgendeinem kleinen Club ein Konzert spielen." Auf Facebook suchte sie nach Begleitmusikern, es meldeten sich mehr als 300 Interessenten. Emmi musste eine automatische Mail-Antwort einstellen. Sie glaubt, in München wäre das nicht so ohne Weiteres gegangen - auch deshalb plant sie jetzt, nach Berlin zu ziehen. "Trotz der vielen guten Musiker unterschiedlicher Genres wird in München nur einem Stil Raum gegeben - sieht man mal von den Weltstars ab."

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Immer wieder dieser Berlin-Vergleich. Doch es gibt auch Künstler, die sich bewusst für München entschieden haben. Künstler wie Xavier D'Arcy eben. Der englisch-französische Singer-Songwriter hat in seinem Leben schon in vielen Städten gelebt. München kennt er noch aus seiner Schulzeit, er hat hier Abitur gemacht. Studiert hat er in England, währenddessen ist er immer wieder nach München gekommen - zum Musikmachen. "Sehr viele Leute haben mich unterstützt und mir geholfen in der begrenzten Zeit, die ich hier hatte, Auftritte zu organisieren", berichtet er. "Das habe ich sonst nirgendwo erlebt."

Diese Erfahrung haben auch viele andere Musiker gemacht, auch Marie, die sagt, hier komme man schneller mit Kollegen in Kontakt. Oder Matthew Austin. Der Bluesmusiker aus Manchester ist vor drei Jahren nach München gezogen. "Ich war begeistert, wie sehr sich die Leute hier über gute Musik freuen. Außerdem gibt es hier sehr viele Leute, die einen unterstützen." Nicht zuletzt die Professionalität und Qualität der Studioaufnahmen beeindrucken den 26-Jährigen: "So gut wie die einfachen Sessions hier klingen, sind in Manchester normalerweise nur die Aufnahmen von großen Labels."

Auch Mario Radetzky, Sänger der Blackout Problems, ist froh, nach München gezogen zu sein. "München ist das, was man draus macht", sagt er. Es gebe viele coole Orte und Locations. Ein wirkliches Epizentrum, wo alles stattfindet, gibt es aber nicht. Und leider habe das Musikerleben in München auch seine Schattenseiten, sagt Mario. Denn: "Proberäume sind häufig absurd teuer." Das hat auch Xavier erlebt. Trotz erfolgreich anlaufender Karriere muss er noch bei seinen Eltern leben, eine eigene Wohnung kann er sich nicht leisten. Ein Umzug kommt für ihn trotzdem nicht in Frage: "Ich habe eine Platte in Berlin aufgenommen. Das war cool, aber die Ruhe zum Songschreiben finde ich dort nicht." Ruhe? Was für Marie wegen der fehlenden Einflüsse unmöglich ist, ist für Xavier essenziell.

Kopfschütteln, wenn es um München geht

George Urquell, 35, einer der beiden Rapper der Combo d icht&ergreifend, schüttelt nur den Kopf, wenn es um München geht. Das niederbayerische Duo feierte den Durchbruch, als es bereits in Berlin arbeitete. Seine Fangemeinde kommt trotzdem größtenteils aus Bayern. George ging zum Studieren nach Berlin, dort bekam er einen Platz an einer renommierten Filmhochschule.

München kommt für ihn heute nicht mehr in Frage. Rap, besonders auf Bairisch, kommt seiner Meinung nach zu kurz. "Außerdem ist die bayerische Musikszene, abseits des Rap, viel zu unkritisch. Die nötige Würze fehlt." George ist der Blick von außen wichtig. "Wir sind sehr gerne in Bayern, aber wir glauben, dass wir bessere Texte schreiben, wenn wir neutraler darauf blicken können", sagt er.

Die familiäre Atmosphäre der Münchner Szene loben gleichwohl alle. Und durch die kleinere Zahl neuer Bands kann man auch sicher sein, dass "jedes Talent seine verdiente Chance bekommt", davon ist zumindest Xavier überzeugt. Er kann sich vorstellen, dass in anderen Städten leichter einmal ein Talent untergeht. "München ist toll für junge Bands", sagt auch Matthew. Die Stadt sei gerade zu junge Künstlern sehr freundlich.

Und Marie? Die Sängerin, die längst nach Berlin gegangen ist? Sie ist sich sicher: "Qualität wird sich immer durchsetzen, egal wo und egal in welcher Stadt".

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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