Frühlingsfest:Hoch die Viertelgallonen!

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Einen eigenen Charakter hatte das Frühlingsfest schon immer. Nun entwickelt es ihn weiter. Amerikaner feiern den Spring Break, Jugendliche machen Party, und Trachtenpflicht herrscht sowieso

Von Franz Kotteder

Der Frühling ist die Jahreszeit der Jugend, wie sollte es auch anders sein. Und so ist es eigentlich kein Wunder, dass auch das Frühlingsfest auf der Münchner Theresienwiese ein sehr jugendliches Fest ist. Wenn man freitags und samstags am Nachmittag in die beiden großen Bierzelte geht, möchte man fast an die Teenie-Disco im Pfarrheim von früher denken; allzu lange scheint die Mehrheit des Publikums hier noch nicht im Status der Volljährigkeit angekommen zu sein. Und so hoch ist der Anteil an Apfelschorle, Spezi und alkoholfreiem Bier in der Festhalle Bayernland und im Hippodrom abends ganz gewiss nicht wie zu dieser Stunde.

"Hier ist's lange nicht so voll wie auf der Wiesn", sagt die 17-jährige Melanie, die mit ihren Freunden aus dem Würmtal hierhergekommen ist, "man kriegt immer noch einen Platz im Zelt, und draußen an den Fahrgeschäften muss man auch nicht ewig anstehen." Nicht einmal dann, wenn die Sonne scheint. "Liegt wahrscheinlich daran", sinniert Stephan, 18, "dass es doch noch recht frisch ist und oft regnet. Da kommt man dann schnell in den Top-Spin oder in den Frisbee. Andererseits ist das Geld dann auch schneller weg."

Wer sich ohne lange Wartezeiten rumschütteln lassen will, ist auf dem Frühlingsfest gut aufgehoben. Zum Beispiel im "BreakDancer", oder der "Wilden Maus". (Foto: Robert Haas)

Das Frühlingsfest, ein Fest der Jugend? Moment mal - hat man nicht gerade erst vor zwei Jahren das 50-Jährige gefeiert? Und ist es nicht gerade der Charme des ein bisschen Altmodischen, der diese Veranstaltung des Verbands der Münchner Schausteller umweht, der es so besonders macht und so anders als das Oktoberfest, die große Volksfestschwester? Zu den Attraktionen des Frühlingsfestes zählen immerhin so schöne Dinge wie Bayerns größter Flohmarkt am ersten Samstag, der Brauchtumstag am mittleren Sonntag, zwei große Feuerwerke an den Freitagen, ein Oldtimertreffen und zum Beispiel auch eine Ausstellung mit den Zugmaschinen und Lastwagen der einzelnen Schausteller und Fahrgeschäfte. Das sind nun alles Dinge, die man mit 16 oder 17 vielleicht noch nicht - oder auch nicht mehr - so wahnsinnig cool findet.

Und dennoch sind sie alle da, so hat man den Eindruck. Noch vor zehn Jahren kam das jugendliche Frühlingsfest-Publikum überwiegend aus der nahen Schwanthalerhöhe, lungerte gern am Autoscooter herum und lebte fröhlich seinen Migrationshintergrund aus. Oder es kam gleich von ganz weit her, aus den USA. Dort nutzt man den "Spring Break" an den Colleges gerne, um sich mit Gleichaltrigen aus Arizona oder Wyoming auf einem echten bayerischen Volksfest gepflegt volllaufen zu lassen - zu Hause ist das unter 21 Jahren nicht möglich, da gibt es legal keinen Alkohol unter dieser Altersgrenze. Nicht umsonst findet man auf der Homepage des Schaustellerverbands www.muenchner-volksfeste.de eine eigene englischsprachige Seite mit dem Titel "Spring Fest Munich".

Die Stimmungsband Simmesamma spielt im Hippodrom auf. (Foto: Robert Haas)

Ein wichtiger Grund also für Jenny, Dan und Jack, drei 19-Jährige aus Denver, Colorado, sich im Weißbiergarten niederzulassen. Sie bevorzugen ja die großen Massen normalen Biers, Weißbier ist ihnen ein bisschen suspekt. "Must be nearly a quarter of a gallon in there", vermutet Dan, der auf der Schulter seiner Jeansjacke einen Stoffpapagei in Lebensgröße befestigt hat, damit jeder gleich erkennt, was hier Sache ist. Eine Gallone, das sind in Amerika fast vier Liter. Dan hat also den Schaum auf der Mass schon abgezogen.

Das Bier an sich steht aber gar nicht mehr so sehr im Mittelpunkt wie früher. An Regentagen hat man sogar eher das Gefühl, die Security-Typen an den Zelteingängen hätten einen Zweitjob als Animierburschen, die alleinstehende, wehrlose Männer ins Zelt locken sollen.

Die Jugend allein sorgt dann halt doch nicht für umfassende Auslastung an solchen Tagen, auch wenn der Weißbiergarten am Sonntag zwischenzeitlich wegen Überfüllung abgesperrt wird wie ein Wiesnzelt am Italienerwochenende. Überhaupt hat man den Eindruck, das Frühlingsfest wird als eine Verlängerung des Oktoberfaschings, vulgo: Wiesn, ins Frühjahr hinein betrachtet. Ein Ereignis, bei dem man die Neumünchner Tracht - Dirndl oder Lederhosenimitat und rotweißkariertes Hemd sowie Smartphone in der Rechten - auftragen muss.

Die neue Trachtenpflicht besteht anscheinend für alle, die jünger sind als 20 Jahre. Für die Nähe zum Fasching spricht auch, dass man bei den Mädchen gelegentlich schlimme Schminkunfälle beobachten kann. Davor sind allerdings auch ältere Damen nicht gefeit, wie man etwa beim Konzert der altehrwürdigen Rock'n'Roller Cagey Strings am Dienstag in der Festhalle Bayernland sehen kann. Die spielen zwar "Sweet Little Sixteen" von Chuck Berry, aber man kann sich statt "Sixteen" durchaus auch "Sixty" denken, denn dies ist ein Abend für ältere Semester, die sonst zu den Konzerten von Paul Würges gekommen wären, wenn ihr Idol nicht schon im März seinen Abschied gegeben hätte.

Es ist dies noch ein Hauch des alten Frühlingsfests. Dem aber kaum einer nachweint, trotz allem. Veranstalter, Schausteller wie Besucher sind sich weitgehend einig, dass das Publikum gewachsen ist und sich gewandelt hat, seit Sepp und Tina Krätz mit ihrem Hippodromzelt 2010 aufs Frühlingsfest gekommen sind. Auch ein paar Promis kommen inzwischen hierher, es ist bunter geworden und trotzdem irgendwie repräsentativer für die Münchner Einwohnerschaft. Und das ist ja nun nicht das Schlechteste, was sich von einem Volksfest sagen lässt.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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