Urteil in jahrelangem Rechtsstreit:"Lebensgefährliche Baumängel"

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Oberlandesgericht spricht Zweckverband des Neufahrner Gymnasiums mehr als eine Million Euro an Schadensersatz zu

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Jetzt hat es der Gymnasium-Zweckverband schwarz auf weiß und höchstrichterlich bestätigt: Beim Bau des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums vor beinahe 20 Jahren wurde gepfuscht. Das Oberlandesgericht München hat deshalb die Baufirma und den Architekten zu Schadensersatzzahlungen von mehr als einer Million Euro verurteilt und damit einen Schlussstrich unter einen jahrelangen Rechtsstreit gezogen. Konkret ging es dabei um laut OLG "lebensgefährliche Baumängel" an der Decke.

Entdeckt worden waren sie nur durch Zufall: Um die Schäden nach einem Wasserrohrbruch 2008 reparieren zu können, wurden Trockenbaudecken geöffnet, die mit einer Unterkonstruktion aus Tragprofilen und Abhängern an der Betondecke befestigt waren. Es stellte sich heraus, dass die Decken "höchst mangelhaft angebracht worden waren", so das OLG: "Es bestand die Gefahr, dass Teile der Decke herabfallen könnten." In der Aula wurde deshalb sogar ein Schutzgerüst aufgestellt. Die Schule ließ dann vorsichtshalber die Trockenbaudecken im gesamten Schulgebäude ersetzen - insgesamt 10 000 Quadratmeter. Mehr als eine Million Euro hat das den Zweckverband als Träger der Schule gekostet, der das Geld von der Trockenbaufirma und dem Architekten zurück haben wollte. Die Decken seien grob mangelhaft ausgeführt worden, und der Architekt habe das nur deshalb nicht bemerkt, weil er die Bauarbeiten nicht ordnungsgemäß überwacht habe, so der Vorwurf. Das Landgericht Landshut hatte die Klage des Zweckverbandes 2013 aber abgewiesen. Begründung: Die Ansprüche seien inzwischen verjährt, der Zweckverband als Bauherr hätte die Mängel selbst bemerken können und müssen. Die Fehler des Architekten seien dem Zweckverband zuzurechnen, so die Argumentation, weil der Architekt im Auftrag des Bauherrn gehandelt habe.

Die Richter am Oberlandesgericht München sahen das jetzt aber anders und ihre Urteilsbegründung wirft kein gutes Licht auf die Trockenbaufirma und den Architekten: Diese hätten "durch die von ihnen jeweils eingeschalteten Subunternehmer arglistig gehandelt", weshalb sich die Verjährungsfrist verlängere und eine Verjährung der Ansprüche des Klägers noch nicht eingetreten sei. Die Mängel seien so gravierend, dass es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken sei, dass niemand durch herabfallende Deckenteile verletzt wurde, so das OLG weiter.

Die Fehler des Architekten müsse sich der Bauherr nicht zurechnen lassen. Schließlich habe er diesen gerade mit der Überwachung und Kontrolle der beteiligten Baufirmen beauftragt. Der Bauherr müsse weder klüger sein als sein Architekt noch einen "Kontrolleur des Kontrolleurs" beauftragen. Im Gegenteil - der Bauherr dürfe sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Architekt seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt und die am Bau beteiligten Firmen überwacht, betonten die Richter: "Erfüllt der Architekt die Pflichten aus dem Architektenvertrag nicht ordnungsgemäß, haften er und die mangelhaft arbeitende Baufirma gemeinsam."

Deshalb müssen sie nun mehr als eine Million Euro Schadensersatz an den Zweckverband zahlen - "und damit letztlich dem Steuerzahler", wie OLG-Sprecher Wilhelm Schneider ergänzt. Eine Revision gegen das Urteil hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Architekt und Firma können aber Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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