SZ-Serie: Altes Handwerk, heute noch gefragt:Für den Rücken der Pferde

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Stefanie Moertel ist Sattlermeisterin, ihr Handwerk hat sie von der Pike auf gelernt. Vor sechs Jahren hat sie sich mit ihrer Werkstatt selbständig gemacht. Inzwischen kann sie das Auftragsvolumen kaum noch bewältigen und hat vom Nähen eine dicke Hornhaut an den Fingern

Von Katharina Aurich, Kranzberg

Stefanie Moertel ist jeden Tag zwischen drei und fünf Stunden mit ihrem Transporter zu den Pferdeställen in einem 100 Kilometer Radius um ihre Werkstatt in Kranzberg im Landkreis Freising unterwegs. Hinter ihr im Wagen hängen aufgereiht Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitssättel, Satteldecken und Zaumzeug. Bei ihren Kunden probiert Stefanie Moertel dann aus, welcher Sattel am besten auf den Rücken des jeweiligen Pferdes passt. Moertel ist Sattlermeisterin, sie hat das Handwerk der Sattelherstellung von der Pike auf gelernt und sich vor sechs Jahren damit selbständig gemacht.

Inzwischen kann sie das Auftragsvolumen kaum noch bewältigen. Noch vor 20 Jahren hätten Pferdebesitzer kaum über ihre Sättel nachgedacht, erinnert sich Stefanie Moertel. Sie sollten möglichst lange halten, bequem sein und das Pferd möglichst nirgends drücken. Inzwischen habe sich jedoch ein völlig neues Bewusstsein entwickelt und es sei nichts Ungewöhnliches mehr, wenn ein Pferdebesitzer seinen vierbeinigen Freizeitpartner von einem Pferde-Krankengymnasten oder gar einem Osteopathen behandeln lasse. Auch auf dem Büchermarkt boomen Fachtitel über Gymnastik oder Osteopathie für Pferde. Deshalb habe auch die Auswahl des richtigen, optimal passenden Sattels zum Glück für die Pferdegesundheit einen viel höheren Stellenwert bekommen, berichtet Moertel.

Außer diesem Bewusstseinswandel nehme die Beliebtheit des Reitsports zu. Neben den professionellen Turnierreitern gebe es immer mehr Menschen, die die Freizeitreiterei für sich entdeckten. Auch die Distanz- oder Wanderreiterszene wachse, das Angebot an organisierten Wanderritten ebenfalls. Doch nicht nur die Art zu reiten und die Bedürfnisse der Reiter seien vielfältiger geworden, es gebe auch immer mehr Pferderassen in den Ställen. Neben dem üblichen Bayerischen Warmblut oder den Hannoveranern werden zunehmend auch spanische und portugiesische Pferde oder auch Isländer beliebter.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Einen Sattel fertigt die Sattlerin Beate Bader nur noch selten an, "die Zeit haben wir nicht mehr", sagt sie.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Denn der Sattel müsse mehrmals an das Pferd angepasst werden.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Beate Bader hat viel zu tun in ihrer Werkstatt.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Dabei betreibt sie die Sattlerei als reines Handwerk.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Nur eine alte Nähmaschine und...

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(Foto: Marco Einfeldt)

... verschiedene Ahlen erleichtern ihr die Arbeit.

Es sei etwa auch nichts Ungewöhnliches mehr, sich ein Criollo, ein robustes, ausdauerndes argentinisches Ranchpferd, zu importieren. Diese Pferde seien jedoch kleiner und muskulöser oder zierlicher gebaut und benötigten daher anders proportionierte Sättel, als das herkömmliche Warmblut, erklärt Stefanie Moertel. Ihr erster Blick bei einem Kunden, der für sein Pferd einen neuen Sattel anschaffen, den bereits vorhandenen auf Passgenauigkeit beurteilen oder reparieren lassen möchte, geht zum Rücken des Pferdes: Wie lang ist er, wie ist er bemuskelt, wie ist die gesamte Haltung des Tieres? Dann wird der Sattel auf den Pferderücken gelegt und sein Sitz, seine Polsterung, die Auflagefläche und Größe begutachtet. Gleichzeitig wird der Reiter in Augenschein genommen.

Passen Sattel und Mensch von den Größenverhältnissen überhaupt zusammen oder ist die Sitzfläche vielleicht etwas zu klein? Ein Sattel muss das Gewicht des Reiters optimal auf dem Pferderücken verteilen, ohne Druckstellen oder gar Reibung auf dem Körper des Tieres liegen. Natürlich soll er auch für den Menschen bequem sein, so dass der Zweibeiner nach dem Reiten locker ohne Muskelverspannungen absteigt, schildert Stefanie Moertel.

Ein Sattel müsse daher die Bedürfnisse von Mensch und Tier in Einklang bringen. Natürlich stünden nicht alle Pferde ruhig, wenn ihnen ein Sattel aufgelegt werde, aber die meisten, zu denen sie komme, machten mit und seien gut erzogen, so ihre Erfahrung. Aber auch ein unruhiges Pferd bringe sie nicht aus der Ruhe, sagt die Fachfrau. Die 34-Jährige hat sich mit ihrem Beruf einen Traum erfüllt, und natürlich reitet sie selbst leidenschaftlich gerne.

Stefanie Moertel wuchs mit Pferden auf, da ihre Eltern Rennpferde hielten. Als es um ihre Berufswahl ging, war klar, dass es etwas mit Pferden sein sollte, aber auch etwas Handwerkliches wollte sie lernen. Daher bewarb sie sich bei der alt eingesessenen Firma Kieffer in München für eine Sattler-Lehre. Neben der Sparte Reitsport gibt es innerhalb dieses Ausbildungsberufs auch noch die Autosattlerei und die Taschnerei. Die junge Frau blieb natürlich den Sätteln treu und leitete nach wenigen Jahren die Entwicklungsabteilung der Firma Kieffer. Sie entwarf und nähte die hochwertigen Ledersättel, die viele Jahre halten.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Stefanie Moertel ist 34 Jahre alt und hat das Handwerk der Sattlermeisterin von der Pike auf gelernt. Mit einer kleinen Werkstatt hat sie sich in Kranzberg selbständig gemacht, doch meist ist sie zu Kundenbesuchen unterwegs.

Doch ihr fehlte der Kontakt zu den Pferden und den Reitern, für die ihre Sättel gedacht waren. Nur in der Fertigung zu arbeiten, sei ihr zu langweilig gewesen, erinnert sie sich. Daher wagte sie 2009, nachdem sie die Meisterprüfung abgelegt und für ihr Gesellenstück bereits Preise erhalten hatte, den Sprung in die Selbstständigkeit. Als sie in der kleinen Werkstatt in Kranzberg begann, bestanden ihre Aufträge hauptsächlich aus der Umarbeitung und Reparatur von Sätteln, die Verkaufsberatung für neue Sättel machte zunächst nur einen kleinen Teil aus. Heute ist Stefanie Moertel meist bei ihren Kunden unterwegs und nur noch für Änderungsarbeiten in ihrer kleinen Werkstatt in Kranzberg anzutreffen.

Dort werden die Sättel aufgeweitet oder schmaler gemacht, die Polsterung erneuert oder neue Strippen angenäht. An ihren Fingern habe sich schon längst eine Hornhaut gebildet, der Umgang mit den Nadeln sei kein Problem mehr. Das Leder werde vorgestochen, bevor es genäht werde, schildert die Sattlerin. Und wenn die Näharbeiten geschafft sind oder der optimale Sattel gefunden ist, dann freut sie sich, wenn sich Pferd und Reiter harmonisch zusammen bewegen.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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