Triathlet Florian Wildgruber im Gespräch:"Hey, das ist nur Sport"

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Bei Europameisterschaften stand der 24-jährige Wildgruber bereits auf dem Podest. Nun will der Freisinger bei der WM in Österreich den Titel über die Halbdistanz gewinnen. Sein großer Traum: ein Start auf Hawaii.

Interview von Alexander Kappen, Freising

Als zweifacher Vize-Europameister der 18- bis 24-Jährigen über die Ironman-Halbdistanz (1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen) weiß Triathlet Florian Wildgruber, wie sich Erfolg anfühlt. Spätestens seit der EM in Wiesbaden vor zwei Wochen, als ihn ein Reifendefekt an seinem Fahrrad weit zurück warf und statt des angepeilten Titels am Ende "nur" Rang sieben zu Buche stand, weiß der 24-jährige Freisinger aber auch, wie sich Niederlagen anfühlen.

Vor der Weltmeisterschaft am kommenden Sonntag, 30. August, im österreichischen Zell am See redet Wildgruber im Gespräch mit der Freisinger SZ über die Verwirklichung von Träumen, den Umgang mit Rückschlägen, die Entbehrungen während einer Triathlon-Karriere und das Leben danach.

SZ: Ihr selbst gewähltes Motto heißt "Lebe deinen Traum". Wie gehen Sie damit um, wenn dieser Traum, beziehungsweise ein Teil davon, wie bei der EM in Wiesbaden platzt?

Florian Wildgruber: Ein Profisportler lebt davon, dass er Erfolg hat bei seinen Wettkämpfen. Was ich die letzten Jahre aber gelernt habe, ist, dass man den Erfolg nicht unbedingt immer am Ergebnis festmachen sollte. Klar, man trainiert jeden Tag, das ist mit Physiotherapie und allem Drum und Dran ein Fulltime-Job. Wenn man dann durch so eine Lappalie nicht das erreicht, was man sich vornimmt, dann ist das im ersten Moment schwer zu beschreiben. Man arbeitet ein halbes oder dreiviertel Jahr auf diesen einen Moment hin. Dann ist das zunächst einmal ein Schlag ins Gesicht. Aber man muss sich bewusst sein, dass nicht immer alles nach Plan läuft und dass man lernen muss, mit so etwas umzugehen. Ich ziehe das Positive aus dem Ganzen und sage: Shit happens. Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass so etwas passiert. Ich sehe es einfach als Lernsituation.

Wie lange hat es gedauert, aus dem ersten mentalen Loch wieder herauszukommen?

Es ist relativ schnell gegangen, weil ich auf so etwas schon vorbereitet war. Der Sport ist wie in den vergangenen Jahren schon noch das Nonplusultra für mich, aber ich betreibe ihn jetzt mit dem Hintergedanken: Hey, das ist nur Sport. Hier geht's nicht um Leben oder Tod. Wenn es gut läuft, ist es schön. Und wenn es mal Scheiße läuft, gehört es irgendwie auch dazu. Das sind ein, zwei Tage, an denen die Stimmung gedrückt ist, aber dann geht es wieder aufwärts.

Wann hat sich herauskristallisiert, dass der Wunsch, als Profitriathlet am Ironman auf Hawaii teilzunehmen, Ihr großer Lebenstraum ist?

Ich habe 2010 mit dem Triathlon angefangen, dann irgendwann meinen ersten Trainer gehabt und das immer mehr professionalisiert und gemerkt, dass ich einerseits das Talent besitze und andererseits auch die nötigen Dinge wie Trainingsfleiß oder die Fähigkeit, mit guten und weniger guten Situationen umzugehen, mitbringe. Und dann ist der Gedanke gereift, es so weit zu bringen, wie es geht.

Welche Opfer muss man für dieses Ziel bringen?

Es gibt wenige Sportarten, in die man noch mehr Zeit investieren muss, als in den Triathlon. 15 bis 35 Stunden macht in der Woche das reine Training aus. Dazu kommen dann noch mal zehn bis 20 Prozent dieser Zeit für das ganze Drumherum wie Physiotherapie, Umziehen, zur Schwimmhalle fahren und so weiter. Was beim Triathlon dazu kommt, ist, dass es nach dem Training nicht vorbei ist. Wenn ich fünf Stunden trainiere, bleibt zwar noch relativ viel vom Tag, aber ich nutze diese Zeit dann, um möglichst gut zu regenerieren. Dann geh ich halt nicht zum Baden an den Weiher, sondern bleibe daheim und schlafe. Es ist natürlich schon ein Zwiespalt. Am Anfang habe ich gesagt: ,Okay, Sport und sonst nichts.' Aber davon bin ich abgerückt. Ich bin viel mit erfolgreichen Triathleten unterwegs, die damit ihr Geld verdienen und schon Weltmeister waren. Und von denen habe ich gelernt, dass man auch die anderen Dinge wie Familie oder Freunde braucht, also eine Gegenwelt. Trotzdem muss man halt auch Opfer bringen. Ich kann abends eben nicht immer weggehen, und bis auf drei Wochen im Jahr habe ich immer Training und kein freies Wochenende.

Wie verträgt sich denn das Leben als Triathlet samt Profiambitionen mit Ihrem Job?

Für mich war es erst einmal wichtig, dass ich mein Bachelor- und Master-Studium rumkriege und auf soliden Beinen stehe. Mittlerweile bin ich ausschließlich als "Speaker" unterwegs und halte Vorträge. Das lässt sich super mit dem Triathlon vereinbaren, weil die hauptsächliche Arbeit die Vorbereitung der Reden ist. Und das kann ich machen, wann und wo ich will, auch daheim auf der Couch.

Sie waren früher Handballer, kommen also aus einem klassischen Mannschaftssport, in dem es auf den Gemeinschaftssinn ankommt. Inwiefern braucht man auch als erfolgreicher Triathlet einen gewissen Teamgeist, etwa in Bezug auf das Umfeld, die Betreuer im Hintergrund oder das Training?

Grundsätzlich ist es ein Trugschluss, zu glauben, die Handballer, Fußballer und so weiter seien nur Teamsportler. Wer in diesen Sportarten erfolgreich sein will, ist im Schnitt wesentlich egoistischer und egozentrischer als alle anderen Leute. Diese Sportler wollen in erster Linie sich selber verbessern und weiterbringen. Und davon profitiert dann auch die Mannschaft. Trotzdem gibt es einen Teamgedanken, den man im Triathlonsport so nicht hat. Wobei man bei uns im Training natürlich schon schaut, dass man sich mit Leuten umgibt, mit denen man gut kann und die auch auf einem ähnlichen Leistungslevel sind wie man selbst. Dazu kommen feste Betreuer wie Trainer, Physiotherapeut und Schwimmtrainer. Es ergibt sich da vielleicht schon was, aber nicht ein Teamgedanke, wie es zum Beispiel im Handball der Fall ist. Auch das Team Baier Landshut, dem ich angehöre, ist für mich jetzt nicht die klassische Mannschaft. Ich trainiere noch gelegentlich mit den Leuten, aber im Ligabetrieb starte ich dort nicht mehr, weil es sich einfach nicht mit meinen eigenen Wettkämpfen vereinbaren lässt.

Am 30. August steht in Zell am See der nächste Höhepunkt an: Die WM auf der Ironman-Halbdistanz, die erstmals nicht in Nordamerika, sondern in Österreich stattfindet. Ist das ein Vorteil?

Grundsätzlich habe ich es schon ganz gern gehabt, wenn die Weltmeisterschaft weit weg ist, weil es ein zusätzlicher Reiz ist. So eine WM in Las Vegas oder Kanada hat natürlich was. Ich bin immer rechtzeitig angereist, damit das mit der Eingewöhnung hinhaut. Andererseits ist die WM in Österreich schon ein Vorteil für mich, weil ich vor zwei Wochen im Trainingslager dort war und mir die Strecke und die Bedingungen bereits anschauen konnte.

Was ist Ihr Ziel?

Der erste Platz in der Altersklasse 18 bis 24 Jahre.

Wann möchten Sie dann auch auf der langen Ironman-Distanz richtig angreifen?

Das hängt immer von vielen Faktoren ab. Ich könnte jetzt sicherlich eine Langdistanz durchbringen, die Frage ist halt: Wie gut möchte ich es hinkriegen? Wenn man jetzt erst einmal auf den kürzeren Distanzen bleibt, Erfahrung sammelt und Geschwindigkeit aufbaut, dann ist das Level halt einfach schon höher, wenn man auf der Langdistanz einsteigt. Geplant war, dass ich in zwei, drei Jahren umsteige. Aber ich habe ja den Traum vom Ironman auf Hawaii und bin jemand, der seine Träume möglichst schnell verwirklichen und nicht ewig rausschieben möchte. Insofern muss ich vielleicht auch mal auf mein Herz hören und nicht danach gehen, was trainingsmäßig am meisten Sinn ergibt. Vielleicht mach ich es auch schon nächstes Jahr, ich weiß es nicht.

Ist Olympia, auch wenn es die Kurzdistanz ist, für Sie ebenfalls ein Thema?

Die Olympische Distanz und der Ironman sind fast zwei unterschiedliche Sportarten, obwohl beides ein Triathlon ist. Für die Olympische Distanz bin ich zu spät eingestiegen in das Ganze. Auf den kürzeren Distanzen sind vor allem das Schwimmen und das Laufen entscheidend. Und da ist es elementar, dass man das in jungen Jahren von Anfang an mitkriegt - und das ist bei mir nicht der Fall. Mich hat das noch nie so wirklich gereizt, weil ich weiß, dass ich dafür zu spät eingestiegen bin.

Zurück zum Ironman: Woran müssen Sie noch arbeiten und was sind Ihre Stärken, die Ihnen die Überzeugung geben, noch Großes erreichen zu können?

Ich muss generell den Trainingsumfang in den nächsten Jahren im Vergleich zu jetzt um ein Drittel oder um die Hälfte hochfahren und mich in allen Disziplinen steigern. Vor allem im Schwimmen, auch wenn ich da in den vergangenen zwei, drei Jahren den Rückstand schon verringert habe. Meine Stärken sind das Radfahren und die Tatsache, dass ich sehr fokussiert sein kann. Ich habe die Fähigkeit, nicht aufzugeben und bin immer genau dann fit, wenn es darauf ankommt.

In Ihren Vorträgen animieren Sie die Zuhörer, ihre Träume zu verwirklichen, so wie Sie gerade dabei sind, ihren Traum von Hawaii zu verwirklichen. Was ist der Lebenstraum des Triathleten Florian Wildgruber für die Zeit nach der aktiven Sportlerkarriere?

Acht von zehn Leuten sagen auf diese Frage wahrscheinlich: Ich weiß es nicht. Aber ich habe mir da tatsächlich konkrete Gedanken gemacht, weil ich weiß, dass ich in zehn Jahren keinen Hochleistungssport mehr betreiben werde. Der Triathlon ist nur ein Traum. Obwohl ich momentan mit vollem Herzen dabei bin, freue ich mich ehrlich gesagt schon auf die Zeit danach. Ich bin bestimmt keiner der Leute, die später ihrer Zeit als Leistungssportler nachhängen. Lebensträume kommen und gehen. Wenn man sich einen erfüllt, kommt ein neuer. Und bei anderen stellt man vielleicht fest, dass es doch nicht das ist, was man will. Mein übergeordnetes Lebensziel ist aber, Leute mit meinen Vorträgen zu inspirieren. Das würde ich auch später gerne weitermachen.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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