Spektakuläre Ausgrabung:Bajuwaren-Krieger mit Schwert

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Wieder einmal erweist sich, dass die Umgebung von Mauern für Archäologen eine wahre Fundgrube ist. Ein Grabungsteam findet bei Alpersdorf ein Skelett, das aus dem frühen Mittelalter stammt

Von Petra Schnirch, Mauern

Wann immer in Mauern gegraben wird: Für Archäologen ist der Boden eine Fundgrube. Auch im Baugebiet Alpersdorf II sind deshalb erst einmal die Fachleute angerückt, bevor dort die ersten Häuser entstehen können. Ihre Entdeckungen schließen nahtlos an das an, was in den vergangenen 20 Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft ans Tageslicht gekommen ist. Spektakulärster und zugleich überraschendster Fund neben vielen Relikten aus der Jungsteinzeit ist ein Skelett aus dem frühen Mittelalter. Ein Bajuwaren-Krieger war dort Ende des siebten Jahrhunderts mit seinem 95 Zentimeter langen Reiterschwert, einer sogenannten Spatha, und der Riemenzunge eines Gürtels bestattet worden. Ganz in der Nähe war 2002 bereits das Grab einer wohlhabenden Frau mit wertvollem Schmuck, darunter ein Goldring, freigelegt worden.

Diesen Höhepunkt hebt sich Grabungsleiter Alois Spieleder von der Firma X-Cavate Archaeology bei dem Rundgang über das Grabungsgelände bis ganz zum Schluss auf. Davor führt er an kleinen und größeren Löchern im Boden vorbei, eines ist über zwei Meter tief. Dunkle Verfärbungen im Erdreich verraten den Archäologen nach über 6000 Jahren noch, dass sich dort einmal etwa 80 Zentimeter tiefe Gruben befanden. Mit dem Lehm daraus verkleideten die Steinzeit-Menschen die Wände aus Flechtwerk ihrer 20 bis 30 Meter langen, leicht bauchigen Häuser. Anschließend füllten sie die Löcher oft mit Abfällen, was sie für die Forscher heutzutage so wertvoll macht. Auch Pfahllöcher der Behausungen haben die Fachleute entdeckt. Die Jungsteinzeit, fachsprachlich Neolithikum genannt, markiert den Übergang von Jäger- zu Sammlerkulturen, die Menschen wurden damals sesshaft.

Vor den Häuslebauern kommen die Archäologen: (von links) Michael Spieleder, Florian Bichlmeier und Stefan Kaminski untersuchen den Boden. (Foto: Marco Einfeldt)

Der gute, variantenreiche Boden bei Mauern war wohl ausschlaggebend, dass sich schon früh Siedler dort niedergelassen haben. Sie kamen aus dem Donauraum über Ungarn, viel weiter Richtung Süden drangen sie nicht mehr vor, bei Neufinsing (Landkreis Erding) war Schluss, wie Archäologe Robert Holzner erzählt. Die Schotterebene haben sie wegen der schwierigeren Bedingungen gemieden. "Mauern lag ein bisschen am Rand der Welt", sagt Holzner. Bürgermeister Georg Krojer relativiert dies umgehend: "Mauern ist das Tor zur Welt." Gleichwohl waren die Menschen damals schon gut vernetzt - die Kontakte reichten vom Rheinland bis zum Balkan, darauf deuten standardisierte Muster beim Hausbau und in der Keramik hin, wie Holzner erzählt. Die Menschen hätten sich damals die besten Böden ausgesucht - gut zu wissen für die künftigen Häuslebauer.

Aus dem Neolithikum, der Zeit zwischen 4900 und 4400 vor Christus, stammen die Scherben, die Holzner auf den Tisch hinter der Bauhütte legt. Seine blaue Arbeitskleidung, die festen Schuhe sind Lehm verschmiert. Der eisige Wind macht ihm und seinen Kollegen offenbar nicht allzu viel aus. "Grabungen sind keine Schönwetterveranstaltungen", meint Florian Bichlmeier, Zweiter Vorsitzender des Archäologischen Vereins, dazu.

Vom Skelett des Bajuwaren-Kriegers und seinen Grabbeigaben können die Archäologen bei dem Rundgang nur Fotos zeigen. Die Knochen mussten vorsichtig geborgen und gut verwahrt werden, damit sie nicht zerbröseln. Das Schwert liegt bereits bei einem Restaurator. Der Mann hat im siebten Jahrhundert sicher zu den Bessergestellten gehört, wie Alois Spieleder erklärt, und er hat wohl auch ein Pferd besessen. Ganz in der Nähe befand sich zu damaliger Zeit eine Handwerkersiedlung.

Sieben Wochen lang graben die Fachleute bereits in Alpersdorf, unterstützt vom Archäologischen Verein. Jeden Tag seien zwei bis drei Mitglieder dort, sagt Bichlmeier. Samstags "legen wir richtig los mit bis zu 15 Leuten" - und helfen, die Kosten für die Gemeinde möglichst niedrig zu halten. Es sei der Idealfall, meint Bichlmeier, dass man zusammen mit einer Grabungsfirma arbeiten könne. Der frühere Vorsitzende Erwin Neumair hatte bereits vor 20 Jahren in Alpersdorf gegraben. Er orientierte sich an den Quellen dort - in der Jungsteinzeit bauten die Menschen noch keine Brunnen - und seine Entdeckungen gaben ihm Recht.

Unter den Lössablagerungen eines Schwemmkegels, neben dem Wurzelgraben in Mauern, hat das Grabungsteam diesmal jede Menge kleiner Scherben gefunden. "Leider Gottes" lasse sich daraus kein Gefäß rekonstruieren, sagt Holzner bedauernd. Die Überbleibsel verraten aber, dass die Keramik in Mauern eine "Top-Qualität" hatte. Der Bürgermeister hört es gern. Einige der fein gearbeiteten Stücke weisen das typische Ritzmuster der Stichkeramik aus dem Neolithikum auf. Grobkeramik-Scherben mit kleinen Steinchen stammen von alten Vorratsgefäßen. Auch ein scharfes Messer aus Silex ist unter den Funden - es muss importiert worden sein, denn Feuerstein gibt es in der Region nicht.

Überraschende Erkenntnis für die Archäologen ist, dass die Menschen in der Jungsteinzeit offenkundig mehrere Jahrhunderte lang in Alpersdorf geblieben sind. Über diese Zeit wissen aber selbst die Experten sehr wenig, wie Robert Holzner erzählt. Auch die Funde aus Mauern dienen deshalb der Grundlagenforschung. Über die Siedlungsentwicklung sei sich die Forschung noch im Unklaren. Und auch darüber, warum der Bau von Langhäusern nach der Jungsteinzeit plötzlich abbricht.

Rätsel gibt dem Team auch ein Graben auf, der von Menschenhand zugeschüttet worden sein muss. Das Gerücht, es handele sich um eine Telegrafenleitung aus dem Zweiten Weltkrieg habe sich nicht bestätigt, schildert Bichlmeier - mangels Leitung. Auch über die Funktion einer tiefen Grube, die bis zur Kiesschicht reicht, können die Archäologen bisher nur spekulieren. Möglicherweise ist es eine alte Zisterne.

Demnächst beginnen die Erschließungsarbeiten für das neue Baugebiet. Der Archäologische Verein hofft nun, dass er die neuesten Funde bekommen wird. Bürgermeister Krojer wünscht sich, dass der Krieger auch einmal in der Gemeinde gezeigt werden kann, wenn die Restaurierung abgeschlossen ist. Auch wenn die Grabungen Geld gekostet haben: Er ist stolz auf die Relikte, die zeigen, dass Mauern schon eine sehr lange Geschichte hat.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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