Obstbäume in Reih und Glied:Hauptsache gesund

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Mit einem selbst entwickelten Netz schützt Michael Neumüller im Obstzentrum Hallbergmoos seine Züchtungen. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Obstzentrum in Hallbergmoos ist das größte seiner Art in Bayern und einzigartig in ganz Europa. Betreiber Michael Neumüller züchtet dort neue Sorten, die in der ganzen Welt gefragt sind

Von Gerhard Wilhelm, Hallbergmoos

Die Obstbäume stehen im Bayerischen Obstzentrum in Hallbergmoos in Reih und Glied. Es sind Hunderte, wenn nicht sogar Tausende. Auf einem Schild steht "Apfelbeere Nero. Die gesunde Wildobstart". Das Zentrum ist das größte seiner Art in Bayern und die Kombination von Forschung, Züchtung und Praxis macht es einzigartig in Europa. Und auch deshalb hatte Landrat Josef Hauner in seiner Reihe "Mit dem Landrat unterwegs" Bürger eingeladen, mit ihm das Obstzentrum zu besuchen. Hauner nutzt in unregelmäßigen Abständen solche Fahrten, um interessante Orte und Betriebe im Landkreis zu besuchen , "die weniger oft in der Öffentlichkeit stehen" und, um mit Bürgern zwanglos ins Gespräch zu kommen.

Die Resonanz war groß. Wären manche nicht mit dem eigenen Auto oder Fahrrad angereist, hätte der Bus wohl nicht ausgereicht. Rund 70 Bürger wollten es sich nicht entgehen lassen Hauner, und/oder das Obstzentrum, näher kennen zu lernen. Das Zentrum selber hatte der Landrat noch nie besucht, wie er zu gab, aber der Name der Familie, die es betreibt, Neumüller, damit konnte er was anfangen. "Meine Eltern hatten in Freising eine Gastwirtschaft und die Kartoffeln haben sie von den Neumüllers bezogen", erzählt er. Auch Michael Neumüller kannte Landrat Hauner, aber natürlich nicht zu der Zeit, als die Kartoffeln geliefert wurden, sondern vom Wochenmarkt in Freising, wo er selber als Bub mit durfte. Der spätere Landrat war damals Lehrer und habe "schon genau geschaut, ob ich richtig rechne", sagte Neumüller.

Das Obstbauzentrum ist trotz seiner Größe von 13 Hektar ein reiner Familienbetrieb - zusätzlich arbeiten noch eine Mitarbeiterin und ein Lehrling mit. Der Betrieb übe drei Aufgaben aus, wie Neumüller erklärte: die Züchtung neuer Obstsorten, die

Anzucht und den Verkauf von kleinkronigen Obstbäumen speziell für den Hausgarten sowie Beratung und Fortbildung. Bei der Züchtung arbeitet der Betrieb eng mit der Technischen Universität in Weihenstephan zusammen. Neumüller hat selbst dort studiert. Er hat einen Doktortitel als Agraringenieur. Acht Jahre war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Obstbau. Landrat Hauner bezeichnete ihn "in positivem Sinne" als "Obstbaumfanatiker".

Als Hauner alle begrüßt hat, die meisten persönlich, kam die Stunde von Michael Neumüller - und Landrat Hauner wurde zum Zuhörer, denn Neumüller kann, wenn es um "seine" Obstbäume geht, wohl stundenlang reden. Und das nicht trocken, sondern er verpackt die vielen fachlichen Informationen mit Witz. Als der wahre "Star" beim Rundgang durch die Anlage entpuppte sich aber Neumüllers Sohn Korbinian. Der Bub streute knochentrocken seine Kommentare ein. Zum Beispiel zur Hitze in diesem Sommer: "De hod ma aufm Bulldog a ned taugt" oder zum Thema Äpfel mit weißen oder braunen Fruchtfleisch: "Mir ist es wurscht, Hauptsach, es schmeckt." Auch Landrat Hauner gab er - völlig unbefangen gegenüber der "Prominenz" - den Tipp: "Beiß nei!" und reichte ihm eine Zwetschge.

Der promovierte Gärtner Neumüller räumte mit so mancher alten Meinung auf. "Keiner kann sagen, was am gesündesten ist. Aber man kann sagen, dass die gesündeste Aufnahmeform das Obst ist." Seit vielen Jahren züchtet Michael Neumüller neue Sorten von Zwetschgen, Birnen und Äpfeln. Zeitgleich hat er eine Leidenschaft für alte Obstsorten wie beispielsweise die "Schweizer Hose", eine Birnensorte, die mit ihrer Färbung an die Uniform der Schweizer Garde erinnert oder die ganz neue Apfelsorte "Baya Marisa", die nicht nur außen, sondern auch im Fruchtfleisch komplett rot gefärbt. Beim gesund leben sei es wie mit dem Rauchen. "Wenn sie einmal im Jahr eine Zigarette rauchen, ist das auch nicht nachweisbar." Am besten sei, dass man das isst, was einem schmecke. Beim Zug durch die Spaliere von tausenden von Bäumen gab es Ratschläge für den besten Schnitt ("starker Schnitt, starkes Wachstum, aber weniger Früchte"), über die beste Schädlingsbekämpfung, die im Obstzentrum ganz ohne Chemie auskommt, dafür mit Pheromonen oder mittels einem selbst entwickelten Schutznetz, das Regen und Insekten von den Bäumen fernhält, nachdem 2104 die Kirschessigfliege die gesamte Zwetschgenernte vernichtet hatte. Das Netz sei ein "System der Zukunft", wie Michael Neumüller meint.

Für die Zukunft gedacht ist auch die "Gendatenbank" mit Informationen über Hunderte alte Obstbäume, die die Basis für Neuzüchtungen darstellen. Und die sind gefragt. Bäume von Michael Neumüller gehen in die ganze Welt. Bis aber eine neue Sorte gefunden ist, können doch bis zu 20 Jahre vergehen.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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