Mehr als ein Mitwisser:Neufahrn distanziert sich von Nazi-Funktionär

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Die Straße mit dem Namen des NS-Funktionärs Carl Diem wird umbenannt

Seit gut 20 Jahren wurde das Thema immer wieder einmal diskutiert, abgewogen, auf dem Papier entschieden und dann wieder vertagt. Jetzt geht Neufahrn wie schon andere Kommunen auf Distanz zu Carl Diem. Die Straße im Westen, die den Namen des Sportfunktionärs aus der Nazi-Zeit trägt, wird umbenannt. Das hat der Gemeinderat beschlossen. Für eine 13:10-Mehrheit war Diem mehr als "nur" ein Mitwisser und hat den Sport für ideologische Zwecke missbraucht, wie es unter anderem mit Blick auf eine "Durchhalterede" hieß. Wenige Wochen vor Kriegsende hatte er 1945 vor Hitlerjungen den Opfertod für das Vaterland gerühmt.

Vor diesem Hintergrund hatte sich auch Ernest Lang als Vorsitzender des Heimatvereins für einen neuen Straßennamen stark gemacht: "Wie soll man jungen Leuten erklären, dass Neufahrn einen Mann ehrt, dessen Rolle aus heutiger Sicht zumindest sehr fragwürdig war?" Gerade in einer Zeit, in der rassistische Äußerungen "an der Tagesordnung sind", müsse der Straßenname als "Schandfleck für unseren Ort" endlich geändert werden, bekräftigte Beate Frommhold-Buhl (SPD). Heute würde man eine Straße schließlich auch auf keinen Fall mehr nach Diem benennen, stimmte Norbert Manhart (Grüne) zu. Für eine Umbenennung würde nach Meinung von Christian Meidinger (Grüne) auch schon ein einziger Beleg für Diems Haltung genügen, da gelte "null Toleranz".

Zweiter Bürgermeister Hans Mayer (CSU) dagegen urteilte weniger streng: "Der alte Herr war halt feige". Er habe den NS-Verantwortlichen "schönreden" wollen, um es sich um "Funktionsärssessel" bequem zu machen, sei aber kein Mittäter gewesen. Gerhard Michels (CSU) gab zu bedenken, dass man den betroffenen Bürgern mit einer Adressänderung einiges zumute, weil sie dann etwa auch Personalausweise und Versicherungen anpassen müssten. "Das könnte man tun, wenn es so ein schlimmer Mensch gewesen wäre, wie er oft dargestellt wird", so Michels: "Aber das ist so nicht der Fall."

Lege man dermaßen strenge Maßstäbe an, müsste man wohl auch andere Straßennamen in Neufahrn ändern oder zumindest auf den Prüfstand stellen, meinten Josef Eschlwech (Freie Wähler) und Markus Funke (FDP). Dieser plädierte außerdem dafür, Straßen künftig vorsichtshalber nicht mehr nach Personen zu benennen, sondern nur noch "nach Bergen, Vögeln, Blumen und was weiß ich". Wie die Carl-Diem-Straße künftig heißen soll, wurde noch nicht entschieden.

© SZ vom 24.01.2018 / bg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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