Neuer Verkaufsschlager:Kreative Nähstube

Lesezeit: 2 min

Gedacht als Änderungsschneiderei werden die Nähmaschinen in der Neufahrner Kleiderkammer zunehmend auch zur Beschäftigungsmöglichkeit für Flüchtlinge. Die Handtaschen waren beim Christkindlmarkt der Renner

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Mustafa Ali ist noch in der Übungsphase. "Ich will nähen lernen", versichert der 19-Jährige aus Somalia - und wie es aussieht, hat er schon einiges gelernt. Gekonnt hantiert der junge Mann an den Einstellungen der Nähmaschine, legt ein Stück Stoff unter den Nähfuß und drückt den Hebel nach unten. Wenig später hält er in kleines Täschchen in der Hand. Ulla Schablitzki, Jugendreferentin des Gemeinderates und vor ihrem Studium ausgebildete Damenschneiderin, nickt anerkennend. Wenn er so weitermacht, wird Mustafa Ali bald aufwendig verzierte Taschen nähen können. Mehr als 100 davon wurden inzwischen in der Nähwerkstatt der Neufahrner Kleiderkammer schon angefertigt. Das Ergebnis ist so ansprechend, dass das Taschenlager nach dem Verkauf beim Christkindlmarkt am vergangenen Wochenende fast leer ist.

Alte Jeans, Wickelröcke, Blusen, Vorhänge und Tischdecken - lauter Sachen, die ohnehin nicht mehr zu verkaufen gewesen wären - haben bei dem "Upcycling" der besonderen Art einen neuen Zweck bekommen. Ulla Schablitzki hält eine sichtlich oft getragene Hose hoch: "Bei der hier ist zum Beispiel die Farbe total verschossen", sagt sie, "da schauen wir jetzt mal, wofür man die noch hernehmen kann." Die kleine Nähwerkstatt befindet sich gleich am Eingang zur Kleiderkammer der Gemeinde. Ursprünglich waren dort ein paar Maschinen aufgestellt worden, damit die Kunden bei Bedarf auch Kleidungsstücke ändern können. "Hilfe zur Selbsthilfe" soll es sein, wie Sozialreferentin Beate Frommhold-Buhl erzählt.

Außerdem wollte man speziell Flüchtlingsfrauen die Möglichkeit geben, das Nähen zu lernen. Das läuft noch etwas schleppend. Immerhin sind inzwischen aber schon einige junge Mütter da gewesen. Und nebenbei entstand bei den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern die Idee für die Taschenproduktion, bei der sie auch selbst kreativ werden konnten. Was dafür neben den alten Kleidungsstücken gebraucht wird, kommt ebenfalls von Spendern. Auf dem Tisch liegen unzählige Rollen mit Nähgarn in allen Farben, Knöpfe, Reißverschlüsse, Borten. So entstehen kleine Textilkunstwerke - lauter individuelle Einzelstücke. Daneben reparieren die Helferinnen auch mal für Kleiderkammer-Kunden eine Naht oder einen Reißverschluss, wie Sylvia Pfeiffer erklärt.

Die Kleiderkammer der Gemeinde wurde im vergangenen Januar eröffnet. Alle Neufahrner, die wegen finanzieller Schwierigkeiten auf gebrauchte Kleidung zurückgreifen möchten, und alle Flüchtlinge im Ort können hier gegen ein geringes Entgelt Sachen holen. Das mittlerweile 13-köpfige Helferteam hat seit Jahresanfang schon fast 1000 ehrenamtliche Stunden geleistet. Beinahe 1500 Artikel wurden ausgegeben. Gebraucht würde momentan noch Winterkleidung, speziell in kleineren Männergrößen. Wer solche Artikel abgeben oder in der Kleiderkammer einkaufen möchte, kann donnerstags zwischen 16 und 18 Uhr in die Räume am Lohweg 25 kommen.

Früher befand sich dort ein Lebensmittelmarkt. Jetzt gibt es Regale und Ständer mit nach Größe geordneten Kleiderstücken. Dazu Umkleiden, eine Kinderspielecke, ein Lager mit Bettwäsche und Handtüchern, ein Regal mit Hausrat, von Uhren über Gläser bis zu Pfannen. Zwei junge Asylbewerber haben sich gerade einen gebrauchten Staubsauger geholt. Im ehemaligen Kühlraum stehen Kinderwagen und Rollatoren bereit. Außerdem wurde eine richtige Fahrradwerkstatt eingerichtet.

Mustafa Ali will an diesem Abend aber in der Nähwerkstatt bleiben, an der Seite seiner "Lehrerin" Ulla Schablitzki, die sich über ihren Schüler freut: "Er ist auch so sprachbegabt und an allem interessiert." Das Nähen wird freilich nur sein Hobby blieben: Der junge Somalier will Automechaniker werden.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: