Naturschutz:Den Igeln geht es schlecht

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Den Igeln im Landkreis Freising geht es gar nicht gut, auch weil überall das Laub entfernt wird, eigentlich typische Igel-Winterlager. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Laubbläser, Giftspritze oder die milde Witterung: Die Population der Igel sinkt. Dabei kann den Tieren mit wenig Aufwand schon sehr geholfen werden.

Von Alexandra Vettori

Normalerweise wären Igel jetzt schon im Winterschlaf. Tatsächlich sieht man in diesem milden Spätherbst noch immer Exemplare auf Nahrungssuche umher streifen. Den meisten, beobachtet die Moosburger "Igelmutter" Ulrike Kolar, geht es schlecht: "Es werden sogar noch kleine Igel gefunden, das ist katastrophal, denn sie finden kaum noch etwas zu Fressen", sagt Kolar, die seit bald 30 Jahren Igeln in Not hilft. Der Igel sei ein Fleischfresser und auf Insekten und Schnecken angewiesen, die aber gebe es trotz milder Temperaturen kaum noch.

Besonders viele ausgemergelte Tiere

Ulrike Kolar ärgert sich deshalb über die Kampagne des Landesbunds für Vogelschutz, der erst kürzlich geraten hatte, Igel nicht zu füttern. "Sie sagen, der Tisch sei gedeckt, aber es ist draußen viel zu trocken, so wie den ganzen Sommer über", betont Kolar. Ihr sind heuer besonders viele ausgemergelte Tiere untergekommen, mit vielen Parasiten - Anzeichen für ein schlechtes Allgemeinbefinden. Von anderen Tierschützern habe sie ähnliche Rückmeldungen bekommen.

Wie es tatsächlich um den stacheligen Gartenmitbewohner steht, weiß aber niemand so genau. Generell wird vermutet, dass seine Zahl abnimmt. Damit endlich belegbare Daten vorliegen, hat der Landesbund für Vogelschutz (LBV) im vergangenen Frühjahr zusammen mit bayerischen Wissenschaftlern ein Igelprojekt gestartet.

Bürgerforscher sollten Beobachtungen liefern, online oder über eine Handy-App, die der LBV entwickelt hat. 34 000 Igel sind gemeldet worden, ein knappes Drittel davon war tot, die meisten überfahren. Genaue Auskünfte wollte Martina Gehret, die beim LBV das Igelprojekt betreut, der Freisinger SZ noch nicht geben, man schreibe am Abschlussbericht.

Warum es den Igeln so schlecht geht

Zahlen aus anderen Ländern sind jedenfalls alarmierend: In England sank die Zahl der Igel in den vergangenen 15 Jahren um 30 Prozent. Auch im Landkreis geht Igelhelferin Ulrike Kolar davon aus. Als Grund sieht sie nicht das schlechte Igeljahr, mit ungünstiger Witterung komme der Igel seit 30 Millionen Jahren aus. Hauptgrund sei der Verlust des Lebensraumes. Als Kulturfolger haben sich Igel in Gärten und öffentlichen Grünanlagen eingerichtet, doch die werden immer sauberer und klinischer, zunehmend fehlen Unterschlupf und Nahrung.

Ulrike Kolar geht nicht nur mit Gartenbesitzern, sondern auch der öffentlichen Grünpflege hart ins Gericht: "Da werden die letzen Laubhaufen eingesaugt und Igel-Winterlager ohne Rücksicht vernichtet, mit Laubsaugern, die oft auch gleich häckseln. Sie können sich vorstellen, was mit den Igeln passiert. Auch die Leute im Garten schaffen das Laub lieber in Säcken weg und kaufen sich dann im Frühjahr Humus, es ist der Wahnsinn."

Wie Gartenbesitzer den Igeln einfach helfen können

Das Problem mit dem Lebensraum sieht man auch beim LBV. Kulturfolger wurden die Igel, weil sie in der intensiv genutzten Agrarlandschaft kaum mehr Unterschlupf und Nahrung fanden. Damit nicht auch noch der Lebensraum Garten schwindet, schlägt Martina Gehret vom LBV eine artenreiche Bepflanzung mit heimischen Blüh-Pflanzen vor, die Insekten anlocken, außerdem Wasser und Unterschlupf. Auch der Bund Naturschutz gibt Ratschläge: "Lassen Sie Laub, Gestrüpp und Zweige in einer Gartenecke liegen."

Weil Igel nachts große Gebiete zur Nahrungssuche durchstreifen, sollte man auch für durchlässige Gartenzäune sorgen, zehn Zentimeter Abstand zum Boden oder ein kleines Loch genügen. Eine so genannte Hungerlinie im Halsbereich eines Igels signalisiert übrigens, dass Zufüttern, am besten mit Hunde- und Katzenfutter, ungewürztem Rührei, Äpfeln und Nüssen, sinnvoll ist.

Ein weiteres Problem für Igel, vom Autoverkehr abgesehen, ist die Giftspritze der Hobbygärtner, Schneckenkorn inklusive. "Auch die Mittel, die Igel-verträglich genannt werden, sind schlecht", ist Ulrike Kolar überzeugt, "ich finde auch immer öfter Igel mit Lähmungen und neurologischen Auffälligkeiten wie Im-Kreis-Laufen". Beweise hat sie keine, "toxikologische Untersuchungen sind teuer und der Nachweis ist schwierig", sagt sie, bleibt aber dabei: "Die Igel sterben an dem Giftzeug nicht gleich, aber es schadet ihnen."

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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