Nach dem Urteil im Startbahnprozess:Enttäuscht, empört, aber nicht entmutigt

Die Startbahngegner kündigen an, dass der Widerstand trotz der Niederlage vor dem VGH weiter gehen wird. Zunächst wollen sie am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darum streiten, dass eine Revision zugelassen wird.

Von Johann Kirchberger

Empört, enttäuscht, aber nicht niedergeschlagen und zum weiteren Widerstand entschlossen. So reagierten die etwa 300 Zuhörer aus dem Flughafenumland auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am Mittwoch. "Jetzt erst recht", riefen sie immer wieder, "der Widerstand geht weiter". Richter Erwin Allesch hatte zuvor alle 17 Klagen "im Namen des Volkes" abgewiesen, den Streitwert auf 675 000 Euro festgesetzt, die Kosten des gesamten Verfahrens den Klägern aufgebürdet und eine Revision nicht zugelassen. Dagegen aber wollen nun zumindest die Kommunen und der Bund Naturschutz mit einer "Nichtzulassungsbeschwerde" vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen.

Empört zeigte sich die Zuhörer vor allem darüber, dass Allesch weder Gründe des Bedarfs noch schädliche Umwelteinflüsse oder Gründe des Naturschutzes erkannt haben will, die dem Bau einer dritten Startbahn entgegenstünden. Vor allem der fehlende Bedarf war es zuletzt, auf den die Startbahngegner setzten, da die Zahl der Flugbewegungen seit dem Jahr 2007 zurückgegangen ist und sich die Prognosen als falsch herausgestellt haben. Allesch dagegen konnte keine Mängel im Planfeststellungsbeschluss feststellen. Die Zuhörer sangen daraufhin die Bayernhymne und skandierten "Wir sind das Volk". Als Allesch wegen der anhaltenden Proteste den Saal räumen ließ, blieben einige wenige, wie der Pullinger Martin Widhopf, standhaft sitzen, "die müssen mich schon raustragen". Dazu freilich kam es nicht. Die Polizei rückte zwar mit etwa 30 Mann an, die meisten Zuhörer verließen aber freiwillig den Saal, begleitet vom Geschrei des einjährigen Leo, der an fast allen Verhandlungstagen anwesend war. Seine Mutter Monika Riesch war den Tränen nah. Von Richter Allesch sei sie vor allem menschlich sehr enttäuscht, sagte sie.

Von der Straße her drangen nun Trompetenklänge in den Gerichtssaal. "Über den Wolken" intonierte der Bläser, während Allesch auf das Fluglärmgesetz verwies und zwar Beeinträchtigungen der Vogelwelt einräumte, die aber durch Ausgleichsmaßnahmen in Grenzen gehalten würden. Verstöße gegen nationale oder europäische Naturschutzgesetze habe er nicht ausmachen können, so Allesch, ehe er die Sitzung für beendet erklärte.

Vor dem Gebäude an der Infanteriestraße hatten sich die Startbahngegner mit ihren Transparenten aufgestellt. "Profit und Gier geht vor Mensch und Natur" hieß es da, oder "Alle eure Prognosen gingen in die Hosen". Zerknüllte Geldscheine symbolisierten ein "Bayerisches Milliardengrab", T-Shirts und Buttons mit der Aufschrift "Keine 3. Startbahn" wurden verkauft. Ein Pfeifkonzert begann, als die Vertreter der Regierung von Oberbayern sich einen Weg durch die Menschen bahnten. Per Megafon äußerte Landrat Michael Schwaiger seine Überzeugung, "dass die dritte Startbahn nicht gebaut wird", Katharina Schulze, Initiatorin des Bürgerentscheids, versprach, dass die Münchner Hand in Hand mit den Freisingern weiterkämpfen werden.

Als Flughafenchef Michael Kerkloh den Saal verließ, überreichte ihm Aufgemuckt-Sprecher Hartmut Binner eine Schublade, in die er das Urteil legen solle, "bevor es in den nächsten Jahren vernichtet wird". Zur allgemeinen Überraschung ging auch Kerkloh ans Megafon. Durch den Bau der dritten Startbahn werde die Zukunft Bayerns abgesichert, sagte er. Allerdings versprach er auch, mit den Anrainern nach einer vernünftigen Lösung suchen zu wollen. Große Freude über das Urteil zeigte er nicht, denn: "Der politische Prozess ist noch nicht zu Ende". Und sein Sprecher Ingo Anspach sagte, der FMG sei es zunächst einmal wichtig gewesen, dass das Gericht bescheinigt habe, dass ihre Planungen stichhaltig seien.

Besonders enttäuschend fanden es die meisten Kläger und Betroffenen, dass Richter Erwin Allesch keine Revision zugelassen habe. Freisings Stadtdirektor Gerhard Koch ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass diese nun mit einer "Nichtzulassungsbeschwerde" erkämpft werden wird. Allerdings müssten dafür "gute Gründe" geltend gemacht werden. Rechtsanwalt Ulli Kaltenegger, der den Bund Naturschutz vertritt, zeigte sich recht optimistisch, damit Erfolg zu haben. Das Thema sei "höchst komplex" sagte er, die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Entscheidung sei offensichtlich.

"Zur Beerdigung kommen sie alle", hatte zuvor einer der Prozessbeobachter angesichts der zahlreich aufmarschierten Politikprominenz aus den Landkreisen Freising und Erding erklärt. Abgeordnete, der Landrat und Landratskandidaten, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Bürgermeisterkandidaten, Stadträte und Stadtratskandidaten waren gekommen. Dazu zahlreiche Fernsehteams und Fotografen. Die Freisinger CSU war mit Josef Hauner und Hubert Hierl vertreten. MdL Florian Herrmann und MdB Erich Irlstorfer wurden nicht ausgemacht.

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