Landkreis:Sportlehrer als Improvisationskünstler

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Weil Schulturnhallen von Flüchtlingen belegt sind, verschaffen sie ihren Schülern mit einem Alternativangebot Bewegung

Von Dennis Wenzl, Landkreis

Die meisten Kinder mögen Sportunterricht. Einmal raus aus dem stickigen Klassenzimmer zu kommen und sich so richtig austoben, ist für viele Schüler das Highlight des Stundenplans. Im Sommer findet das im Freien statt. Aber der Winter naht und einige Schulen im Landkreis haben Flüchtlingsunterkünfte in ihren Sporthallen. Da ist Improvisationskunst gefragt.

Schulleiterin Gertraud Weber von der Echinger Imma-Mack-Realschule erzählt, dass der Großteil des Sportunterrichts ihrer Schule nun in der Gemeindeturnhalle stattfindet. Vor Allerheiligen habe man die Schüler noch mit dem Bus nach Unterschleißheim gefahren, bevor man erfahren habe, dass die Dreifachhalle der Gemeinde verfügbar sei. Auch in der Grundschule nebenan gebe es eine kleine Halle, in der Jungen und Mädchen abwechselnd zum Sporteln gehen könnten. Die gemeindliche Halle gehöre nicht dem Landkreis, weshalb sie frei sei, sagt Weber.

Die Realschule habe ein "echtes Notprogramm" auf die Beine gestellt. Die Sportlehrer gingen mit den Schülern zu Spielplätzen oder machten "große Spaziergänge". In einer Ecke der Aula stünden Tischtennisplatten, um den Schülern Bewegung zu verschaffen. Der Wahlunterricht sei aber abgesagt worden, bedauert die Schulleiterin. Fußball und Klettern fallen aus. Ebenso der Sportunterricht aller achten Klassen. Da deren Unterricht der einzige verpflichtende Nachmittagsunterricht an der Schule sei, könne man ihn ausfallen lassen. Die anderen Jahrgangsstufen hätten vormittags Sport auf dem Stundenplan, weshalb man ihn nicht ohne weiteres entfallen lassen könne.

Gerd Preuß, stellvertretender Direktor der Freisinger Wirtschaftsschule, macht die Lage zu schaffen. Er habe 25 Klassen und keine Möglichkeit, regulären Sportunterricht durchzuführen. Zu zwei Dritteln wurde die Halle bisher von eigenen Schülern, zu einem Drittel von Schülern der FOS und Berufsschule genutzt. Deshalb habe man gemeinsam mit dem Camerloher Gymnasium, der Realschule und der Stadt Freising nach Alternativen gesucht. "Alle freien Löcher" in der Belegung der Hallen der Nachbarschulen würden nun genutzt. Das Wort "Nachbar" scheint zwar auf die Nähe der anderen Schulen hinzudeuten, aber der stellvertretende Schulleiter stellt klar, dass seine Schüler trotzdem weit laufen oder fahren müssten, um Sport machen zu können.

Im Winter werde man das Angebot der Stadt wahrnehmen, die Schüler in der neuen Eishalle Schlittschuh laufen zu lassen. Außerdem stünden nun auch bei der Wirtschaftsschule Spaziergänge auf dem Lehrplan. Preuß erläutert, wie das Landratsamt den Termin für die erneute Nutzung für den Sportunterricht immer wieder verlängert habe. Im Frühling 2015 war eine Belegung bis September angekündigt. Im September habe die Behörde das Ende des aktuellen Schulhalbjahrs genannt. Mittlerweile rechnet die Schulleitung mit einer Verlängerung bis zum Schuljahresende. Aus der vorübergehenden Lösung müsse eine "stationäre" werden, fordert Preuß.

Bis zur Umfunktionierung der Halle der Wirtschaftsschule haben auch die Schüler der FOS und BOS Freising dort Sport getrieben. Deren Schulleiterin Roswitha Stichlmeyr ist etwas gelassener als ihr Kollege von der Wirtschaftsschule. Man habe noch nie einen so großen Bedarf gehabt, weshalb die "Alternativen funktionieren". So gut wie alle Sportstunden seien im Belegungsplan des Camerloher Gymnasiums untergekommen. Der Rest finde im Freien oder als theoretischer Unterricht statt. Auch an ihrer Schule seien die Sportlehrer kreativ. Diese hätten beispielsweise an einem Wochenende einen Wanderausflug veranstaltet. Ungewiss bleibe lediglich, ob man die Abschlussprüfungen dieses Jahr in der Halle abhalten könne. Man hoffe, einfach wie gewohnt dort schreiben zu können, bis einen "die aktuelle Situation eines Besseren belehrt", sagt Stichlmeyr mit einem Lachen in der Stimme. Sie sei "wirklich optimistisch" da die Situation gut gelöst worden sei und sich viele Probleme "in Luft aufgelöst" hätten.

Michael Wagensohner ist Konrektor der Kastulus-Realschule Moosburg. Drei Doppelstunden Sport habe man beispielsweise in die Halle des Karl-Ritter-von-Frisch Gymnasiums auslagern können. Für den Rest habe man bei den umliegenden Schulen angefragt, aber dort gebe es auch nur wenige freie Stellen in der Hallenbelegung. Eine einzige "Lückenfüllerei" nennt Wagensohner das.

Es war geplant, im Winter vermehrt die Eishalle und das Schwimmbad zu nutzen. Dass Letztere nicht mehr nutzbar sei, wäre ein weiterer "Prügel zwischen die Füße" gewesen. Er sei sehr dankbar für die Hilfe der anderen Schulen. So könnten die Sportlehrer weiter darauf achten, Schülern genug Bewegung zu verschaffen. Seit dem Sommer sei die Halle belegt, aber damals sei es kein Problem gewesen, auf das Freibad oder Freiflächen auszuweichen. Nur im Winter stünden diese Alternativen nicht mehr zur Verfügung. Auch wisse man nicht, wie es weitergehen wird. Offiziell soll die Halle im Januar wieder frei werden. Aber der Konrektor der Moosburger Realschule zweifelt. Noch zu Schuljahresbeginn hatte es geheißen, die Halle werde nur sechs Wochen lang als eine Art Übergangslösung benötigt. Als die Schule nach dieser Zeit nachfragte, bekam sie vom Landratsamt die Auskunft, dass die Halle noch bis Januar benötigt werde. Vermutlich. Michael Wagensohner hält die jetzige Verwendung der Sporthalle für absolut richtig und notwendig, fügt aber an: "Der Sportunterricht fällt mager aus."

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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