Nur die historischen Graffitis bleiben:Wenn Geschichte umzieht

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Auch das Depot des Stadtmuseums muss Anfang März aus dem Asamgebäude raus, bevor der Komplex zur Baustelle wird. Es wird gepackt - die Graffitis aus dem 18. Jahrhundert kommen jedoch nicht mit.

Von Petra Schnirch, Freising

Das Bild mit der Nummer 2293 ist als Nächstes dran. Der selbstbewusst wirkende Herr wird schon bald hinter Seidenpapier und Luftbläschenfolie verschwinden - weich gepolstert für den großen Umzug. Seit gut einer Woche verpacken Mitarbeiter des Stadtmuseums die Schätze im Depot unter dem Dach des Asamgebäudes. Spätestens Anfang März, wenn die Ausstellungsräume für etwa fünf Jahre wegen der Sanierung des Komplexes geschlossen werden, wandern die Exponate in mehrere neue Quartiere. Etwa 25 Freisinger haben am Donnerstagabend die Gelegenheit genutzt, bei einer Führung mit Restaurator Alfons Empl noch einen Blick ins Depot zu werfen.

Kartons, Kunststoffboxen, Wellpappe-Rollen stören die strenge Ordnung. Etwa 3000 Objekte mit Bezug zur Stadtgeschichte - "von überall ein bisschen was" - lagern in den etwa 250 Quadratmeter großen Räumen: Krüge, Zinnteller, Kulissen, Münzen, Grafiken, Kruzifixe und sogar ein fragiles Segelschiff. Viele der Besucher sind erstaunt, sie hatten sich das Depot wesentlich größer vorgestellt, doch hier ist (oder war) alles effizient verstaut. Insgesamt zählen etwa 10 000 Sammelstücke zum Bestand, sie sind derzeit auf vier Orte verteilt. In den drei verbleibenden Lagern wird nun "nachverdichtet", wie Museumsleiterin Ulrike Götz schildert. Zwei neue Räumlichkeiten sind dazu gekommen, eine davon in Hallbergmoos.

Das Verpacken der Werke ist eine Kunst für sich, Alfons Empl sei hier sehr kreativ, lobt Götz. Für einen schönen großen Spiegel ist eigens ein Gehäuse gebaut worden, die vergoldeten Ornamente sind auf Seidenpapier gebettet. Die Marionettensammlung des Museums baumelt in Kleiderkartons, damit sich die Schnüre nicht verheddern. Doch nicht nur der Transport ist eine Herausforderung. Die Objekte müssen anschließend jederzeit auffindbar sein, denn "da läuft viel im Hintergrund", erklärt Empl. Es gebe beispielsweise Anfragen von Leuten, die an einer Doktorarbeit oder einem Aufsatz schreiben und einige der Werke sehen möchten. Die Rollwände für die Gemälde werden deshalb auch im neuen Depotraum wieder aufgebaut. Alles ist nummeriert, dokumentiert und fotografiert.

Die ältesten Graffitis Bayerns können für den Umzug nicht versetzt werden

Nicht versetzt werden können die Graffitis an den Wänden aus dem 18. Jahrhundert - laut Empl sind es die ältesten in Bayern. Sie sollen durch große Platten geschützt werden. Die Zeichnungen stammen von ehemaligen Schülern, der Speicher diente damals als Karzer. Einige der Lehrer waren offensichtlich ziemlich verhasst, wie ein gemalter Galgen beweist. Im Nebenraum lagern in breiten Kartons farbenfrohe Zunftfahnen, auch über mehrere Zunfttruhen verfügt das Museum. Sie hatten früher fast sakralen Charakter, wie Empl erzählt. Wenn sie bei einer Versammlung geöffnet wurden, durfte nicht geflucht werden. "Die Freisinger können stolz sein, dass durch den Historischen Verein so viel angesammelt wurde", sagt Empl - und zeigt sich überrascht, wie viele sich für die Exponate interessieren und einen Blick ins Depot werfen wollen.

Obwohl der Umzug ein Abschied auf Jahre ist, will Leiterin Ulrike Götz nicht zu wehmütig werden und blickt lieber nach vorne: Zum einen werde sie ja in ein größeres Museum zurückkehren, das gestaltet werden muss. Darauf freut sie sich schon. Außerdem sei ein Umzug auch ein kreativer Prozess - und eine Zeit, in der das "Hirn wieder in Bewegung kommt". Dass sich viel verändern wird, "das passt in unsere Zeit", findet die Kunsthistorikerin. Mit Christoph Kürzeder vom Diözesanmuseum und Ulrike Götz gibt es in Kürze also gleich zwei Museumsleiter in Freising, die vorerst ohne eigene Ausstellungsräume auskommen müssen.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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