Innenansicht:Weltstadt im Kleinformat

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Warum das Protzen mit einer Startbahn durchaus als provinziell gewertet werden kann

Franz Kotteder

Selbst wenn man in der schönsten Stadt der Welt lebt, sollte man gelegentlich andere Städte besuchen. Echte Metropolen. Paris, London, Rom - so in der Richtung. Das Heimkommen ist dann besonders schön, weil man gesehen hat, dass es andernorts noch höhere Mieten gibt, noch sehr viel teureres Bier und unglaublich viel mehr Verkehr und Beton.

Man kommt dann also wieder an, im Bahnhof oder in diesem imposanten Metropolenflughafen. Hat man dort den Bummelzug genommen und den Ausblick auf Feld, Wald und Flur genossen, erreicht man nach geraumer Weile auch die zugehörige Metropole. Dort empfangen einen dann himmelblaue Plakate mit der Aufschrift: "Weltstadt statt Provinz!" Es geht um die dritte Startbahn für den Metropolenflughafen. Da ist klar: Man ist wieder zu Hause.

Was an München generell nervt, ist das zwanghafte Bemühen, sich des eigenen Weltstadt-Status' zu versichern. Als ob es nicht genügte, im Vergleich mit Paris, London, Rom eine viel kleinere, aber durchaus sehr angenehme Stadt im Voralpenland zu sein! Würden richtige Weltstädte allen Ernstes ihren Rang damit begründen wollen, dass sie ein Bauerndorf wie Attaching plattbetonieren können? Und ist es nicht vielmehr provinziell, mit einer weiteren Startbahn protzen zu wollen, aber keinen ordentlichen S-Bahn-Anschluss hinzukriegen? Und wie provinziell sind Stadtpolitiker, wenn sie wegen des Klimawandels in Kindergärten über klimaneutrale Ernährung aufklären lassen, zugleich aber eiskalt den Flugverkehr ausbauen, weil das mit viel Geld verbunden ist? So viele heimische Kartoffeln können die kleinen Münchner ja gar nicht in sich hineinstopfen, dass das die Klimabilanz einer Startbahn ausgleichen könnte. Einer richtigen Weltstadt, denkt man, wäre so etwas vielleicht ein bisschen peinlich. Aber wir sind ja jetzt wieder in München. Franz Kotteder

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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