Fundsachenversteigerung in Hallbergmoos:Verloren, vergessen, verkauft

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Auktionator Josef Mittermeier hat wieder alles gegeben. Aber das wäre gar nicht notwendig gewesen. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei der Auktion des Flughafens kann man Sonnenbrillen im Zehnerpack ergattern, Koffer mit unbekanntem Inhalt und sogar eine mit Brillanten besetzte Uhr. Die war mal ein Geschenk des Emirs von Katar an einen Vergesslichen.

Von Gerhard Wilhelm, Hallbergmoos

"500, 1000, 2000, 2050, 2100, 2150". Auktionator Josef Mittermeier rattert die Zahlen heraus wie Schüsse aus einem Maschinengewehr. "2200, 2300, 2500." Zwei Männer bieten im Zelt der Hallberger Wiesn für eine Uhr, die jemand am Flughafen vergessen hat.

Es ist keine gewöhnliche Uhr. Es ist eine "Concord Saratoga" mit Diamanten von 0,45 Karat. In der Schachtel liegt ein Zettel, auf dem steht, dass die Uhr ein Geschenk des Emirs von Katar ist. Wie man so eine wertvolle Uhr einfach "vergessen" kann, ist vielen ein Rätsel. Josef Rankl, der Leiter des Fundbüros am Flughafen, zuckt mit den Schultern. "Es gibt nichts, was noch nicht verloren wurde", sagt er aus langjähriger Erfahrung. Es ist seine 62. Versteigerung seit Eröffnung des Flughafens.

Die Uhr geht letztlich für 4300 Euro weg. Der Erlös geht zu 100 Prozent an die neurologische Stiftung für Schlaganfälle Rechts der Isar. Den tatsächlichen Wert schätzt Rankl auf 5000 bis 6000 Euro. Zur Versteigerung kommen an dem Tag weit mehr als 100 Gegenstände. Von Regenschirmen bis hin zu Notebooks, Schmuck oder Brillen.

Es sind sogar ein paar Krücken dabei - und eine große Hundebox, in die ein ausgewachsener Bernhardiner passt. Der Erlös dieser Fundsachen kommt der Gemeinde Hallbergmoos zugute. Kein Wunder, dass man einen sichtlich erfreuten Bürgermeister Harald Reents auf der Bühne im Volksfestzelt erlebt, der sich bedankt, dass zum sechsten Mal Hallbergmoos zum Versteigerungsort ausgewählt wurde. Die erzielten rund 18 000 Euro gehen je zur Hälfte an die Tafel und die Nachbarschafthilfe.

Alle Fundstücke vom Flughafen haben einen neuen Besitzer gefunden. (Foto: Marco Einfeldt)

Bereits von elf Uhr an durfte man sich die Fundsachen ansehen. Davon machten etliche der rund 800 zur Versteigerung gekommenen Menschen Gebrauch. Vor allem die Vitrinen mit Schmuck, Handys und Uhren sind umlagert. Zur Versteigerung kommen Fundsachen, die nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist in das Eigentum der Flughafen München GmbH übergegangen sind. Die beträgt sechs Monate.

Die Regeln, die zusammen mit der Versteigerungsliste ausliegen, sind einfach. Ein Gegenstand wird von einem Fundbüromitarbeiter aufgerufen: "Ein Ring, silberfarben, gestempelt 925, Größe 53": Auktionator Mittermeier nennt das Mindestgebot - in der Regel fünf Euro - und dann geht es in Fünfer-Schritten weiter. Jeder, der sich bei ihm durch Handzeichen oder anders bemerkbar macht, wird als Gebot registriert. Wenn sich dann keiner mehr meldet, heißt es "Zum Ersten, zum Zweiten...", Mittermeier legt eine kleine Pause ein, "zum Dritten!".

Dann geht es ans Bezahlen. Aber nur mit Bargeld. "Nur Bares ist Wahres", sagt Mittermeier. Zehn Minuten hat man Zeit. Verstreicht die Zeit, kommt der Gegenstand wieder zur Versteigerung. Aber das passiert nicht. Es ist unglaublich, was alles so verschlampt wird: Ein Bierglas, vier Stamperl, ein Bild, Salz- und Pfefferstreuer. Das geht im Paket für 15 Euro weg. Sonnenbrillen gibt es im Zehnerpack. Als eine der Fundbüromitarbeiterinnen eine davon zu Demonstrationszwecken aufsetzt, johlt das Publikum. "Seit 20 Jahren habe ich nicht so einen Applaus bekommen, aber wenn man sich lächerlich macht . . .", sagt Mittermeier.

Zehn Feuerzeuge: "5, 10, 15, 20". Mittermeier, der mittlerweile seit 30 Jahren im Geschäft ist, rattert die Zahlen nur so runter. Bei 95 Euro gehen sie weg. Bei vielen Gegenständen hat Mittermeier einen passenden Satz. "Die Uhr, die macht was her!", zu Klobürste und Nudelsieb: "Das passt zusammen! Ist eben alles Geschmackssache". Und wenn mal wieder einer die Hand gehoben hat, aber gar nicht bieten wollte: "Ja, wie soll ich den unterscheiden, ob Du Deiner Freundin winkst oder mir?"

Das meiste geht für Summen unter 100 Euro über den Tisch. Bei Markenhandys, Notebooks (ohne Betriebssystem und Netzgeräte) oder IPads werden Summen von bis zu 200 und mehr Euro geboten. Völlig außer Rand und Band geraten die Bieter, wenn zur Versteigerung Koffer mit unbekanntem Inhalt kommen oder sogenannte Überraschungspakete, die das Fundbüro gepackt hat.

Keiner weiß, was drin ist, aber die Summe geht schnell hoch. "270, 280, 290 und zum Dritten" geht es weiter für einen Karton mit den Maßen 40x25x15 Zentimeter. Keiner der Bieter für die zwei Pakete macht diese aber vor Publikum auf - es könnte ja eine Pleite sein.

Nur einer, der einen großen schwarzen Koffer für 500 Euro ersteigert hat, öffnet ihn außerhalb des Zeltes. In ihm sind Jacken, ein Handy, eine kleine Digitalkamera, eine PC-Tastatur, T-Shirts und ein Nerz, der echt aussieht. Josef Rankl schätzt den Gesamtwert auf 1000 bis 1500 Euro. Den Grund dafür, dass auf Unbekanntes hohe Summen geboten werden, vermutet der Fundbüroleiter im Reiz des Mysteriösem, Glück oder Pech zu haben. Den Trend stelle er seit ein paar Jahren fest. "Es ist ja zudem für einen guten Zweck", sagt Rankl. Verbotenes wie Drogen sind ohnehin nicht mehr im Koffer. Die hat der Zoll vorher schon entdeckt.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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