Freising:Schnee im Sommer

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Die in Weihenstephan Molekulare Biotechnologie studierende Freestylerin Laura Grasemann will "Sportstipendiatin 2015" werden. Uni und Leistungssport erfordern viel Disziplin - und auch Geld

Von Petra Schnirch, Freising

Ihre Kommilitonen beneidet Laura Grasemann zurzeit schon, ein ganz klein wenig zumindest. Während die bei Temperaturen von mehr als 30 Grad am Weiher liegen können, rutscht die 23-Jährige im Regen durch den Schnee. "Hier ist es aber auch wunderschön", fügt sie gleich hinzu. Denn zu einem ganz normalen Sommer gehört der Schnee für die Freestylerin einfach dazu. Immer im Juli beginnt das Training für die Wintersaison, diesmal auf einem Gletscher in Norwegen. Deshalb erwischt man die Sportlerin derzeit auch nur am Telefon oder per E-Mail. Nebenbei beendet Laura Grasemann, die an der TU München in Weihenstephan und Garching Molekulare Biotechnologie studiert, ihre Bachelorarbeit, die sie bis Mitte August abgeben muss.

Viel Disziplin ist nötig, um Studium und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen. Im vergangenen Jahr ist die Belastung noch größer geworden. Nur einen Monat nach dem Olympischen Spielen in Sotschi gab der Deutsche Skiverband bekannt, dass er die Disziplin Buckelpiste nicht mehr fördern wird. Damals dachte Laura Grasemann, erfolgreichste deutsche Freestylerin auf der Buckelpiste, schon ans Aufhören.

Irgendwie ist es dann doch weitergegangen. Seitdem müssen die jungen Athleten viel improvisieren - und vor allem viel selber bezahlen, wie Trainer, Trainingslager, Startgebühren und Fahrtkosten. "Wir müssen an allen Ecken und Enden schauen, wo wir sparen können", sagt Grasemann. Auch der Organisationsaufwand ist enorm. Die Sportler müssen sich auf einmal damit beschäftigen, wie man Teilnehmer für Rennen meldet, anstatt sich auf die Vorbereitung für den Wettkampf zu konzentrieren.

In den Disziplinen Freestyle fahren die Skisportler über Buckelpisten, springen Figuren auf einer Sprungschanze oder in der Halfpipe. (Foto: privat)

Zumindest für Laura Grasemann könnten in den kommenden eineinhalb Jahren alles etwas leichter werden. Im Internet läuft derzeit die Abstimmung zum "Sportstipendiaten 2015" . Bis zum 23. August stehen fünf Talente, die Sport und Studium gleichzeitig meistern, zur Wahl, darunter die 23-jährige Freestylerin. Der Gewinner bekommt 18 Monate lang 800 Euro, für die vier Mitbewerber gibt es immerhin 200 Euro. Auch für sie lohnt es sich also, dass die Jury sie aus dem Kreis der 400 Stipendiaten ausgewählt hat.

Kann sie vom Trainingslager aus überhaupt Werbung für die Abstimmung machen? Das sei längst zum Selbstläufer geworden, sagt die Athletin aus Weihenstephan. Freunde leiten den Link an Freunde weiter, auch die TU München verweist auf Homepage und Facebook-Seite auf die Sportler-Wahl. "Ich war total überrascht", sagt Grasemann.

Um die gestiegenen Ausgaben bewältigen zu können, jobbte sie im vergangenen Jahr nebenbei auch noch als Tennislehrerin. Das habe zuletzt zeitlich nicht mehr geklappt, erzählt sie. Ganz ohne Nebenjob aber geht es nicht, deshalb arbeitet sie ab und zu als Hostess oder leitet Buckelpisten- und Wasserschanzen-Lehrgänge. Noch aber hoffen die Freestyler, dass der Skiverband zumindest den Trainer wieder bezahlen wird. "Sonst wird es schwierig."

Die 23-jährige Laura Grasemann wurde 2015 auf der Buckelpiste als WM-Neuling Neunte. (Foto: DSV)

Trotz der Doppel-Belastung durch Sport und Studium: Pausieren will Laura Grasemann nach dem Bachelor-Abschluss nicht. Gleich im Oktober will sie mit dem Master beginnen, wieder in Molekularer Biotechnologie. "Das hat mir gut gefallen." Wie bekommt man es überhaupt hin, neben den Wettkämpfen zu studieren? Es gebe nur wenige Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht, schildert die 23-Jährige. "Ich muss mir das alles dann mehr oder weniger selbst erarbeiten." Die Kommilitonen unterstützten sie aber und sie bekomme die Skripten. In ihrem WG-Zimmer in Garching ist sie jedenfalls nicht oft. Manchmal aber kommt auch sie nicht aus: Während der WM-Vorbereitung musste sie im vergangenen Winter zurück an die Uni für ein Pflichtpraktikum.

Weitermachen mit dem Leistungssport will die Studentin, die eigentlich aus dem baden-württembergischen Wiesloch stammt, möglichst bis zu den Olympischen Spielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. "Der Sport macht mir so viel Spaß."

Auch für die kommende Saison hat sie sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Sie möchte im Weltcup konstanter sein und sich in die Top Ten ihrer Sportart schieben. Ihr bisher größter Erfolg: Bei der Ski-Freestyle-Weltmeisterschaft 2015 wurde Laura Grasemann auf der Buckelpiste als WM-Neuling Neunte - trotz der schwierigen Vorbereitung.

Wer bei Wahl zum "Sportstipendiaten 2015" mitstimmen will, kann seine Stimme bis zum 23. August auf der Homepage www.sportstipendiat.de abgeben.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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