Sayeds Laden:Hotspot für Flüchtlinge

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Der Internetladen und Callshop von Sayed Mohammad Zadran ist ein beliebter Anlaufpunkt für Flüchtlinge. (Foto: Marco Einfeldt)

Vor 15 Jahren kam Sayed Mohammad Zadran selbst aus Afghanistan nach Freising. Heute ist sein Internetladen an der Freisinger Hauptstraße Treffpunkt für zahlreiche Asylbewerber, die Hilfe suchen.

Von Marina Wudy, Freising

Auf dem Fernsehbildschirm an der Wand laufen schillernde Bollywoodvideoclips in Dauerschleife, daneben hängen bunte und mit Mustern oder Glitzersteinchen verzierte Handyhüllen, die es für wenige Euro zu haben gibt. Am Verkaufstresen steht eine Gruppe Männer unterschiedlichen Alters, die sich angeregt in einer nahöstlich klingenden Sprache unterhalten.

Der Internet- und Callshop von Sayed Mohammad Zadran in der Freisinger Innenstadt ist äußerst beliebt und wird nicht nur von seiner Stammkundschaft regelmäßig frequentiert. Denn seit die Zahl der Flüchtlinge ständig steigt, ist der Laden des 26-jährigen Afghanen auch eine beliebte Anlaufstelle für Flüchtlinge geworden.

Das liegt zum einen natürlich daran, dass der Shop zu der "Lebara" Telekommunikationsfirma gehört, die sich auf günstige ausländische Tarife und die Bedürfnisse von Migranten spezialisiert hat. So kann man in Sayeds Laden Prepaid-Handykarten erhalten, mit denen man zu äußerst günstigen Tarifen in nahezu alle Länder weltweit telefonieren kann.

Zum anderen aber ist Sayed Zadran selbst vor knapp 15 Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er floh damals aus seinem Heimatland Afghanistan vor dem dort wütenden Bürgerkrieg - ganz allein, denn seine Eltern waren beide bereits im Krieg gestorben.

Damals war er gerade mal zwölf. Mit gefälschten Papieren und in Begleitung einer anderen Familie kam er per Flugzeug nach Frankfurt am Main. "Das würde heute natürlich nicht mehr gehen", sagt er, "damals war das alles noch leichter und es wurde noch nicht so streng kontrolliert."

Die Sorgen und Nöte der Asylbewerber versteht Sayed nur zu gut. "Manche kommen mit Briefen von Ämtern oder Behörden zu mir und fragen, ob ich sie übersetzen kann. Viele muslimische Flüchtlinge wollen auch wissen, wo es türkische Restaurants oder Geschäfte gibt. Ab und zu begleite ich auch jemanden zum Arzt oder anderen Erledigungen, um mit der Verständigung zu helfen", meint er. Kein Wunder, denn Sayed spricht sechs verschiedene Sprachen - deutsch nicht mitgerechnet. Die meisten davon sind afghanische Sprachen, wie etwa Paschtu und Persisch, aber auch Arabisch und Hindi kann er.

Mehr helfen kann der junge Ladenbesitzer den Flüchtlingen aber leider nicht. "Es kommen momentan einfach so viele, es gibt gar nicht mehr genug Platz für alle. Viele kommen zu mir in den Laden und erzählen, dass sie gerne ein eigenes Zimmer hätten oder dass sie am liebsten gleich eine Aufenthaltsberechtigung haben möchten", berichtet der junge Afghane. "Aber das geht einfach nicht. Der einzige Tipp, den ich ihnen geben kann, ist leider nur, geduldig zu sein."

Er selbst habe damals mehr Glück gehabt, weil der Andrang von Asylbewerbern noch nicht so groß gewesen sei. Sein Antrag wurde bereits innerhalb von einem knappen Jahr zugelassen, zudem habe er einen individuellen Betreuer und viele weitere hilfsbereite Menschen gehabt, die sich um ihn gekümmert hätten.

Nach seinem Schulabschluss arbeitete der junge Afghane zunächst als Kellner in einem italienischen Restaurant in Frankfurt am Main. 2011 erhielt er schließlich von einem Freund das Angebot, den Internet- und Callshop in Freising zu übernehmen. Seitdem ist er nun in der Domstadt - und hier auch sehr zufrieden: "Deutschland ist für mich jetzt meine zweite Heimat. Mir gefällt es hier sehr gut."

Mittlerweile leben auch zwei seiner Brüder in Deutschland, einer bei ihm in Freising, der andere in Frankfurt. Zudem unterstützt ihn sein Neffe im Laden.

Eine Sache gibt es da allerdings: "Meine Frau und Kinder sind noch in Afghanistan. Ich möchte sie so gerne nach Deutschland holen, aber das ist leider sehr kompliziert", sagt Sayed und seine dunklen Augen werden plötzlich noch etwas dunkler und er sieht sehr traurig aus.

Die Ehe war schon von seinen Eltern arrangiert worden, als Sayed gerade mal elf Jahre alt war. Geheiratet hat er seine Frau 2007, er war damals bereits in Deutschland. Mittlerweile hat das Paar zusammen drei kleine Kinder, auf die er sehr stolz ist. Im Moment kann er sie jedoch nur für zwei Monate im Jahr besuchen. Aber er will sie nach Deutschland holen, das ist sein festes Ziel.

Sayed Zadran ist ein gutes Beispiel dafür, dass es durchaus möglich ist, sich als Flüchtling in einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen. Deshalb ist er wohl - neben den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern und Sozialarbeitern - auch ein so wichtiger Ansprechpartner für die Asylbewerber hier in Freising. Denn nicht wenige wünschen sich wahrscheinlich, sie wären bereits wie Sayed in ihr Zufluchtsland integriert. Ungewiss ist, für wie viele von ihnen dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung geht.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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