Freising:"Frauen müssen sich viel besser verkaufen"

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In der Klinik für Wiederkäuer werden jährlich bis zu 1500 Tiere betreut. Gabriela Knubben will die Prophylaxe stärken, um Krankheiten vorzubeugen. (Foto: Marco einfeldt)

Die Schweizerin Gabriela Knubben ist Professorin an der LMU in München. Seit 2011 lebt die Nutztierärztin mit ihrer Familie in Freising. Mit einem klassischen Rollenmuster wäre ihre Karriere vermutlich nicht möglich gewesen. Ihr Mann kümmerte sich lange um die Kinder

Interview von Christoph Dorner, Freising

Seit 2011 ist die Schweizerin Gabriela Knubben Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Mit ihrem Mann Johannes und ihren beiden Kindern wohnt die Nutztierärztin in einem Reihenhaus in Freising. Im Interview mit der SZ spricht Gabriela Knubben über ihre Forschungsarbeit, das Prestige von Tierärzten und das unterschiedliche Auftreten von Männern und Frauen am Arbeitsplatz.

SZ: Sie sind 2011 aus Zürich an die LMU München gekommen, um dort den Lehrstuhl für Innere Medizin und Chirurgie der Wiederkäuer zu besetzen. Warum sind Sie damals nach Freising gezogen und nicht nach München?

Gabriela Knubben: In der Schweiz hatten wir einen Hof gepachtet, auf dem wir Pferde und Ziegen gehalten haben. Mein Mann ist ebenfalls Tierarzt und Agrarwissenschaftler. Er hatte sich mehrere Jahre unseren Kindern und dem Hof gewidmet. Das hat ihm auch Spaß gemacht. In einer Großstadt zu wohnen ist für uns keine Option. Wir haben hier in der Nähe nichts gefunden, um Tiere halten zu können. Das Freisinger Quartier, in dem wir nun wohnen, war im Endeffekt optimal.

Wie viele Tiere haben Sie?

Bei uns im Haus leben drei Katzen und ein Hund. Außerdem haben wir zwei Pferde und eine Ziege, die in einem Reitstall in Hallbergmoos leben.

In der Klinik für Wiederkäuer haben sie pro Jahr rund 1500 Patienten. Was fehlt den Tieren, wenn sie zu Ihnen kommen?

Wir haben zwei große Gruppen von Tieren, die zu uns überwiesen werden. Der eine Teil ist chronisch krank. Diese Tiere bedürfen einer ausführlichen Diagnostik. Die andere große Gruppe benötigt entweder operative Eingriffe, die in Tierarztpraxen auf dem Land nicht ohne weiteres möglich sind, oder eine intensive Therapie. Vor allem Kälber, die durchfallkrank sind, brauchen zum Teil rund um die Uhr Infusionstherapien.

Dann haben Sie tierische Patienten auch länger?

Teilweise sind Tiere drei bis vier Wochen bei uns, in der Regel drei bis sieben Tage. Wir müssen wirtschaftlicher denken als in der Humanmedizin. Aber in unserer Orthopädie werden auch komplizierte Beinbrüche bei jüngeren Tieren mit Platten oder Schrauben fixiert.

Auch im Landkreis Freising ist die Tierhaltung in der Landwirtschaft zurückgegangen. Gleichzeitig werden die Betriebe mit Rinder- und Milchviehhaltung immer größer. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Wir möchten mehr in die Prophylaxe gehen, das ist seit einigen Jahren der Grundtenor der Ausbildung statt feuerwehrmäßig kranke Tiere zu behandeln. Ziel ist, dass Krankheiten gar nicht erst entstehen: Infektionskrankheiten, Stoffwechselkrankheiten, Folgen einer schlechten Umstellung vor und nach der Abkalbung. Wenn eine Kuh anfängt, Milch zu geben, ist das eine sehr belastende Phase im Leben der Kuh. Da können viele Krankheiten entstehen.

Ihre Forschungen dienen der Qualitätssicherung bei Landwirtschaft und Tierhaltung, aber auch dem gesundheitlichen Verbraucherschutzes.

Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns in der Nutztierpraxis bewegen. Derzeit arbeiten wir daran, dass weniger Antibiotika eingesetzt werden. Es geht darum, wie wir vermeiden können, dass Tiere überhaupt krank werden. Mein Forschungsschwerpunkt liegt bei parasitären Erkrankungen, die eher eine wirtschaftliche als gesundheitsgefährdende Rolle für den Verbraucher spielen.

Die tierärztliche Fakultät hat den höchsten Studentinnenanteil an der LMU. Warum ist das so?

Da hat sich in den letzten Jahren so entwickelt. Lange war Tierarzt ein männlich dominierter Beruf. Man stellt sich den Tierarzt, insbesondere den Nutztierpraktiker, auch immer noch als Mann vor. Die Frau hilft in der Praxis mit und kümmert sich um den Terminkalender.

Was sind die Motive für ein Studium?

Auch das hat sich gewandelt. Es sind mittlerweile mehr emotionale Gründe. Früher ging es mehr um Prestige. Der Tierarzt hatte vor einer Generation einen guten Ruf bei den Landwirten, aber auch in der Gesellschaft. Eine Kollege erzählte mir, dass er in dem kleinen Ort, in dem er praktiziert, eine lokale Berühmtheit ist, der Herr Doktor. Das ist etwas verloren gegangen. Das hat dazu geführt, dass der Beruf für Männer nicht mehr so attraktiv ist.

An deutschen Hochschulen ist nur etwa jede fünfte Professur mit einer Frau besetzt. Woran liegt das?

Vorsicht vor Schubladen. Aber ich stelle fest, dass Männer sich eher auf ein Ziel fokussieren und dabei die Fähigkeit haben, störende Dinge auszublenden. Frauen neigen eher dazu, Informationen zu sammeln. Für sie ist es meiner Erfahrung nach wichtiger, dass das Gesamtkonzept stimmt. Sie sind auch eher bereit, nach Alternativen zu suchen, wenn sie unzufrieden sind.

Was empfehlen Sie jungen Studentinnen, die eine universitäre Karriere anstreben?

Frauen müssen sich und ihre Leistungen viel besser verkaufen. Das fällt ihnen in der Regel sehr schwer.

Sie sind auch deshalb zur Professorin aufgestiegen, weil sich Ihr Mann hauptberuflich um Ihre zwei Kinder gekümmert hat. Wäre Ihre Karriere mit klassischen Rollenmustern nicht möglich gewesen?

Nein, mit einem klassischen Rollenmuster wäre meine Karriere vermutlich nicht möglich gewesen. Als unser erstes Kind unterwegs war, stand ich mit meiner Habilitation kurz vor dem Abschluss. Mein Mann hatte zwei Jahre Praxiserfahrung als Tierarzt hinter sich und wollte sich beruflich neu orientieren. Es hat sich dann eher so ergeben, dass er sich zunächst um die Kinder kümmert. Ich habe mich auf drei Professuren beworben und zu meiner Überraschung hat es in München geklappt. Unsere Aufgabenverteilung war auch eine logische Folge, wobei wichtig war, dass auch mein Mann in München Fuß fasst. Wir sind aber noch nicht an einem Punkt, wo Frauen und Männer genau dieselben Chancen haben.

Sie sind, wie man in Bayern sagt, eine Zugereiste. Wie lebt es sich hier?

Wir sind glücklich in Freising. Das hängt mit unseren beruflichen und unserer privaten Situation zusammen. Dass ich vom Land in ein Reihenhaus ziehen würde, hätte ich zwar nie gedacht. Aber Freising liegt günstig, der Fluglärm ist überschaubar. Und ich habe gelernt, das dunkle Weißbier zu lieben. Und ich liebe die bayerische Biergartenkultur, etwas vergleichbares gibt es in der Schweiz nicht.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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