AfD-Versammlung in Freising:Die Draufschläger

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Der AfD-Kreisverband will im Löwenwirt seriös über "Asylkrise und Arbeitsmarkt" berichten, kommt aber dann doch nicht ohne Ressentiments aus.

Von Christian Gschwendtner, Freising

Nur für einen kurzen Augenblick ist der AfD-Hauptredner im Gasthaus zum Löwen am Freitagabend unachtsam. Alexander Merz, Mitglied im Landesvorstand, will über die Religionszugehörigkeit der Menschen sprechen, die jetzt ins Land flüchten. Er sagt: "63 Prozent sind Islamisten". Merz meint natürlich Muslime. Aber der Satz rutscht ihm so raus. Und die versammelte Zuhörerschaft johlt auf. Genau diesen Moment haben die etwa 50 Besucher des AfD-Themenabends zur "Asylkrise und Arbeitsmarkt" herbeigesehnt. Über eine Stunde drangsaliert sie der großgewachsene Schwabe Merz mit nüchternem Zahlenwerk zur Flüchtlingskrise. Er wirft Powerpoint-Folien an die Wand, so dicht beschrieben wie eine Ganzkörpertattoo.

Der Kreisverband Oberbayern Nord bemüht sich krampfhaft um Seriosität. Die AfDler wollen zeigen, dass sie nicht die Ausländerfeinde sind, für die viele sie halten. Erst kürzlich haben sich nämlich die Stimmen gemehrt, wonach der Kreisverband immer weiter nach rechts abdriftet. Mitglieder der ersten Stunde sind ausgetreten. Unter dem Vorsitzenden Andreas Strixner, der als Schatzmeister auch im bayerischen Landesvorstand sitzt, habe sich die hiesige AfD radikalisiert, heißt es. Strixner hat im vergangenen Jahr Björn Höcke, den umstrittenen Landeschef der Thüringer AfD, nach Ingolstadt eingeladen. Und noch im November hat er versucht mit Parteifreunden in der Gemeinde Zolling die Stimmung gegen den Bau einer Containersiedlung für Flüchtlinge anzuheizen. Es hagelte Kritik.

Vielleicht sah sich Strixner deshalb kurz vor Weihnachten zu einem Outing als ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer mit Weitblick genötigt. Der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" erzählte Strixner stolz, er helfe Flüchtlingen in seinem Heimatort Jetzendorf bei Behördengängen und der Arbeitssuche. Für Bernhard Kranich aus Zolling, Strixners Stellvertreter, ist das am Freitagabend natürlich eine willkommene Steilverlage. In seiner Begrüßungsrede verweist er auf das angebliche Engagement von Strixner und fragt: "Was soll immer diese Hetze gegen uns?" Er tut das auf großer Bühne. Ein BR-Fernsehteam ist ebenfalls gekommen, was wohl der Anwesenheit des AfD-Bayernchefs Petr Bystron geschuldet ist.

Kranich geht dann zu den Geschehnissen der Kölner Silvesternacht über: nur um sie genüsslich auszuschlachten. Dann ist Merz als Hauptredner des Abends an der Reihe. Seinen Zahlenkolonnen kann das Publikum nur bedingt folgen. An den zwei lang gezogenen Tischreihen scharren einige Männer bereits ungeduldig mit ihren Weißbiergläsern. Kreischef Strixner stützt seinen Kopf auf dem Arm ab. Mit der randlosen Brille und dem grauen Funktionärsanzug sieht er trotz seiner jungen Jahre bereits wie ein Vertreter jener "Altparteien" aus, auf die er so erbittert schimpft.

Dass sich an diesem Abend die Ressentiments doch noch vollends bahnbrechen können, ist Landeschef Petr Bystron zu verdanken. Er hätte es bei dem für AfD-Verhältnisse moderaten Vortrag von Merz belassen können. Bystron will die Zuhörer aber für die aufgebrachte Geduld entschädigen. Er zieht jetzt noch gewaltig einen vom Leder. Der anwesende Reporter? Ein Vertreter der Lügenpresse. Natürlich ist Bystron Profi genug das Wort selbst nicht in den Mund zu nehmen. Die Leute verstehen ihn auch so. Verächtliches Gelächter. Bystron gibt jedenfalls klar zu erkennen, was er von den Flüchtlingen in Deutschland hält: sehr wenig. Als sich die Versammlung um 23.15 Uhr langsam auflöst, die AfD-Freunde sich gegenseitig genug beklatscht haben, sucht Bystron das Gespräch mit dem Reporter. Es scheint ihm fast ein wenig Leid zu tun, dass es wieder so garstig geworden ist.

© SZ vom 18.01.2016 / gsch - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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