Freising:Das Gespräch suchen

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Infoveranstaltung für die Anwohner der Flüchtlingsunterkunft am Camerloher

Von Peter Becker, Freising

In jedem deutschen Mietshaus gibt es Rüpel, die sich an keine Hausordnung halten. Andererseits wohnen dort aber auch freundliche, höfliche Menschen. Recht viel anders sei es bei den knapp 400 Flüchtlingen, die von Mitte Oktober an nach und nach in eine Behelfsunterkunft auf dem Sportplatz an der Wippenhauser Straße einziehen, auch nicht, sagte Irmgard Eichelmann vom Netzwerk Asyl des Landratsamt während einer Informationsveranstaltung im Camerloher Gymnasium. Wer da meint, er müsse sich an keine Hausordnung halten und Radau machen, mit dem müssten halt eindringliche Gespräche geführt werden. Und wenn alles nichts nützt, dann sollten Anwohner der geplanten Sammelunterkunft eben die Polizei rufen, riet Irmgard Eichelmann den etwa 150 Zuhörern in der Aula.

Ein Anrainer ist der Meinung, dass das Landratsamt das Pferd von hinten aufgezäumt hat: Die Behörde hätte erst mit den Anwohner reden müssen. So sei der Camerloher Sportplatz schon eine Baustelle und die Bürger würden vor vollendete Tatsachen gestellt. Andere Anwohner plagen ernstere Sorgen: Sie fürchten, dass ihre Töchter oder Schülerinnen nachts nicht mehr auf der Straße herumlaufen könnten, "ohne von jungen, kräftigen Afrikanern" belästigt zu werden. Eine Frau regte gar an, eine Ausgangssperre für die Flüchtlinge am Abend zu verhängen. Die meisten Asylbewerber im Landkreis kommen laut Irmgard Eichelmann aus Afrika. Dies veranlasste einen Anwohner zu der Frage, was die Leute hier zu suchen hätten. Seines Wissens nach gebe es auf dem Kontinent keine Bürgerkriege wie in Syrien oder im Irak.

Irmgard Eichelmann beschwichtigte: Ihr sei nicht bekannt, dass Asylbewerber bei Straftaten in Erscheinung getreten seien. Dieter Weidner, Pressesprecher der Freisinger Polizei, bestätigt dies. Es gebe keine Erkenntnis, dass es zu Zwischenfällen zwischen Asylbewerbern und der Bevölkerung gekommen sei. Allenfalls sei die Polizei zu Konflikten zwischen Flüchtlingen gerufen worden. "Aber das ist kein Wunder, wenn so viele Menschen aus verschiedenen Staaten auf so engem Raum zusammenleben müssen."

Irmgard Eichelmann beschwor die Anwohner, das Gespräch mit den Flüchtlingen zu suchen. Diese würden irgendwann verstehen, dass ihre deutschen Nachbarn über lautes Geschwätz in der Nacht nicht erbaut seien. Eine Anwohnerin fragte sich, in welcher Sprache sie denn mit den Leuten reden solle. Sie musste sich belehren lassen, dass es auch möglich sei, sich über Gesten zu verständigen. "Ich bin einfach auf den Balkon gegangen und habe 'Psst' gesagt. Dann war es ruhiger", sagte eine junge Frau aus der Nachbarschaft der Turnhalle der Wirtschaftsschule.

Ein Anwohner regte an, handwerklich begabten Flüchtlingen einen Hobbyraum zur Verfügung zu stellen. "Das ist ein interessanter Vorschlag", lobte Beate Drobniak von der Diakonie. Möglicherweise ließe sich über die Kirchen etwas in die Wege leiten. Eine Wlan-Ausstattung der Unterkunft wird es nicht geben. Dies erleichtere zwar den Flüchtlingen die Verständigung mit der Heimat, ist aber von der Regierung untersagt.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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