Dritte Startbahn am Flughafen:Jetzt sind die Richter am Zug

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Im Kampf gegen die dritte Startbahn reichen der Landkreis, Kommunen und Anwohner Klage ein.

Petra Schnirch und Florian Tempel

Bis zuletzt hat die Kanzlei Deißler, Krauß und Domcke daran gearbeitet - am heutigen Freitag, dem letzten Tag der vierwöchigen Frist, reichen die Anwälte am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Klagen des Landkreises Freising sowie mehrerer Kommunen und Musterkläger gegen den Bau einer dritten Startbahn am Flughafen ein. "Mit dem Leiterwagen werden wir aber nicht vorfahren", sagt Joachim Krauß. Um die Begründungen einzureichen, haben die Anwälte weitere sechs Wochen Zeit. Die Monatsfrist war laut Krauß "ohnehin knapp genug". Lediglich der Eilantrag der Stadt Freising gegen einen sofortigen Baubeginn musste sofort näher erläutert werden.

Aus dem Landkreis Erding haben drei Gemeinden Klage eingereicht: Berglern, Oberding und Eitting, aus dem Nachbarlandkreis sind es die Stadt Freising und Fahrenzhausen. Außerdem klagt der Landkreis Freising selbst, weil der Unterricht an der Förderschule in Pulling stark unter dem Fluglärm leiden würde. Dass auch Berglern dabei ist, "ist logisch - bei der Betroffenheit", sagt Bürgermeister Herbert Knur (parteilos). Die Kommune mit ihren gut 2500 Einwohnern liegt schon jetzt in der Einflugschneise des zwölf Kilometer entfernten Flughafens. Mit einer dritten Startbahn würde sich die Situation nochmals dramatisch verschärfen. Der Gemeinderat fasste den Klage-Beschluss bereits Anfang September, noch bevor die Unterlagen des Planfeststellungsbeschlusses öffentlich ausgelegt wurden, einstimmig und ohne Diskussion. Der Bau der dritten Startbahn nähme der Gemeinde jede Entwicklungsmöglichkeit. Knur und die vier CSU-Gemeinderäte waren Anfang August aus Verärgerung über Ministerpräsident Horst Seehofer und seine schnelle Festlegung auf den Bau der dritten Startbahn aus der CSU ausgetreten.

Der Freisinger Stadtrat hatte Ende September ebenfalls einstimmig beschlossen, vor Gericht zu ziehen. Die Genehmigung des Flughafenausbaus bezeichnete Baujurist Gerhard Koch in der Sitzung als "einen Anschlag auf die Stadt Freising", den man nicht hinnehmen werde. Mit einem zusätzlichen Eilantrag will die Stadt außerdem verhindern, dass schon vor einer endgültigen Entscheidung der Gerichte mit dem Bau begonnen werden kann. Der gut 1000 Einwohner zählende Stadtteil Attaching läge nur wenige hundert Meter von einer Startbahn entfernt, viele Bürger müssten ihre Häuser verlassen und umziehen.

Die Gemeinde Eitting "klagt selbstverständlich", sagt Bürgermeister Georg Wiester (parteilos). Denn der Gemeindeteil Eittingermoos wäre einer der am stärksten von der Startbahn betroffenen Orte. Die etwa 200 Einwohner, die jetzt schon in Hör- und Sichtweite der Autobahn A 92 und des Flughafenzauns leben, bekämen im Süden ihres Dörfchens die Startbahn vor die Nase gesetzt. Die Gemeinde begründet den Schritt damit, dass sie ihrer Planungshoheit in Eittingermoos beraubt und das intakte Dorfleben zerstört würde.

Die Gemeinde Oberding will vor Gericht vor allem darum kämpfen, den Ortsteil Schwaig vor weiterem Lärm zu schützen. Bürgermeister Helmut Lackner (CSU) sagte, "das, was Attaching blüht, erleben die Schwaiger schon jetzt täglich". Mit dem Bau der dritten Startbahn ist aber auch ein viertes Terminal vorgesehen, dessen Vorfeld bis auf 200 Meter an Schwaig heranrücken würde. "Da entsteht enormer Bodenlärm."

Auch Fahrenzhausen hat sich zu einer Klage durchgerungen, obwohl Krauß einen solchen Vorstoß als relativ chancenlos einstuft: Einrichtungen der Gemeinde, wie Kindergarten oder Schule, sind nicht direkt betroffen. Die Fahrenzhausener leiden zwar schon jetzt unter vielen Überflügen - die Flugrouten aber spielen im Genehmigungsverfahren keine Rolle.

Auch sieben Musterkläger - vier aus Attaching, je einer aus dem Freisinger Stadtteil Lerchenfeld, aus Eitting und Berglern - vertreten Krauß und sein Kollege Eike Schönefelder. Unterstützt werden sie durch die Schutzgemeinschaft. Für die kostspieligen Verfahren bekommt die Organisation auch finanzielle Hilfe aus dem Landkreis Ebersberg: Pliening, Markt Schwaben und Poing klagen zwar nicht selbst, zahlen aber einen Obolus an die Schutzgemeinschaft - wie viele andere Gemeinden der Region und auch die Landkreise Dachau und Erding. Ob dieser Prozesskostenzuschuss rechtens ist, lässt derzeit jedoch der Erding FDP-Kreisrat Peter Utz überprüfen. Auch der Bund Naturschutz geht gegen den Startbahnbau vor. (Thema des Tages)

© SZ vom 04.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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