Doppelter Abiturjahrgang:Flucht vor vollen Hörsälen

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Diese Art zu studieren ist einzigartig: 2000 Studenten absolvieren an der TU München zwei Semester in einem - und verzichten auf ihre Sommerferien.

Maxi Krähling

Wenn sich Ricardo Böheim sein Arbeitspensum für die Uni gut einteilt, bleibt manchmal etwas Zeit für einen spontanen Besuch am See. Aber unter der Woche mal ausgehen und feiern, das lässt das Studienmodell TwoinOne der Technischen Universität München eher nicht zu.

Volle Säle, nein danke: An der TU München beginnen 2000 Studenten mit einem Turbo-Studium - und entgehen so dem doppelten Abi-Jahrgang. (Foto: JOHANNES SIMON)

Seit Anfang Mai gehört Ricardo zu den knapp 2000 Studenten, die in einem "Steilkurs-Studium" bis September zwei Semester in einem absolvieren. Durch den doppelten Abiturjahrgang und den Wegfall der Wehrpflicht in diesem Jahr, versucht die Uni den zu erwartenden Ansturm der neuen Studenten zum Wintersemester mit diesem besonderen Modell über einen längeren Zeitraum besser zu verteilen.

Das war auch der Anreiz für Ricardo Böheim, sich für TwoinOne zu entscheiden. "Ich wollte den angedrohten überfüllten Hörsälen und den fragwürdigen Organisationshürden entkommen." Der 20-jährige stammt aus Wolfratshausen, lebte aber seit 1994 mit seiner Familie in Nairobi. 2009 hat er dort auf einer deutschen Schule sein Abitur absolviert und wohnt nun, nachdem er seinen Wehrdienst geleistet hat, seit April im Studentenwohnheim in Freising. Als Studiengang hat er sich für Biologie und Chemie auf Lehramt an Gymnasien entschieden und natürlich für TwoinOne.

Diese Art zu studieren ist einzigartig, denn die Uni hat für die schnellen Studenten nicht nur die Zulassungsbeschränkungen wie den Numerus Clausus ausgesetzt, sondern sie hat die Studenten für diese Zeit auch von den Studiengebühren befreit. Trotzdem bewerben sich für so ein Studium nur diejenigen, die das auch wirklich wollen und sich das gründlich überlegt haben. "Einfach mal so studiert hier niemand zwei Semester in einem", sagt Ricardo.

Bei den Lehramtsstudenten sieht es im Moment so aus, dass sie in vielen Vorlesungen mit Kommilitonen aus dem zweiten Fachsemester des regulären Studienganges sitzen. So gesehen absolvieren sie zuerst das zweite Semester und während sich die anderen Studenten dann an ihrer vorlesungsfreien Zeit im August und September erfreuen können, müssen Ricardo und seine Mitstudenten das erste Semester sozusagen nachholen.

Aber selbst danach gibt es noch nicht mal ein paar freie Tage, denn im Oktober geht es direkt mit dem dritten Fachsemester weiter. Die ersten längeren Ferien erwarten Ricardo dann erst zu Weihnachten.

Durch den Wegfall der Semesterferien geht viel Zeit zum Lernen verloren. "Wir müssen parallel zum Semester lernen. Das bedeutet, täglich lernen und nacharbeiten - anders sind die Klausuren nicht zu bewältigen." Überhaupt haben es die Prüfungen in sich, denn die schreiben die Turbostudenten mit den Kommilitonen aus den höheren Fachsemestern zusammen, die schon ganz andere Vorkenntnisse haben.

Weniger Studenten, intensivere Betreuung

Deshalb könnten laut Ricardo die Noten auch ein bisschen schlechter ausfallen, aber auch da hat die Uni vorgesorgt. Das TwoinOne Programm sieht nämlich vor, dass die Studenten selbst entscheiden können, ob sie sich ihre erbrachten Leistungen anrechnen lassen wollen, oder nicht. Sollte es theoretisch bei den Klausuren also mal nicht so gut klappen und nur wenige bestanden werden, hätte Ricardo die Möglichkeit, im Wintersemester ganz regulär mit dem ersten Fachsemester von Vorne zu beginnen und dann schon einige Vorkenntnisse mitzubringen.

Zu dem enormen Zeit- und Lernaufwand kommt noch hinzu, dass die Lehramtsstudenten nicht alle Fächer in Weihenstephan belegen können. Für Didaktik und Pädagogik müssen sie zusätzlich noch in die Münchner Innenstadt fahren. Was man nicht alles für die Ausbildung in Kauf nimmt.

Aber TwoinOne bietet auch viele Vorteile. Ricardo findet es zum Beispiel sehr angenehm, dass die Studentenzahlen so viel kleiner ausgefallen sind als unter normalen Bedingungen. Deshalb kann auch die Betreuung seitens der Uni viel intensiver und persönlicher gestaltet werden.

Auch wenn es am Anfang des Studium jetzt direkt in die Vollen geht, würde Ricardo Böheim sich wieder für TwoinOne entscheiden, um einem Doppelabiturjahrgang und den überlaufenen Hörsälen auf jeden Fall entkommen zu können.

© SZ vom 18.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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