Ausstellung:Wolken des Grauens

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Im Alten Gefängnis in Freiszung zu sehen sind: die Künstler Hiba Al Ansari, Domino Pyttel, Thomas Breitenfeld, Anna Pfanzelt, Iwona Rozbiewska und Jungmin Park (von links). (Foto: Marco Einfeldt)

Sechs internationale Künstler, alles Diplomanden der Akademie der Bildenden Künste, stellen bis Ende April im Alten Gefängnis in Freising aus. Unter der Überschrift "Kunst ist ein ernstes Spiel" haben sie sich mit existenziellen Fragen unserer Zeit auseinandergesetzt

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Es sieht so gemütlich aus: Eine himmelblaue Steppdecke liegt auf dem Fußboden. Gut, sie ist nicht mehr so ganz in Ordnung, die weiche Schafwollfüllung quillt an einigen Stellen heraus. Aber das vermittelt noch mehr den Eindruck, dass die Decke einen wärmen kann. Das ist aber so gar nicht die Intention von Hiba Al Ansari, die diese Installation für die Ausstellung "Kunst ist ein ernstes Spiel" im Gefängnis gestaltet hat. Das Modern Studio hat die gebürtige Libyerin, die mit zwölf Jahren nach Syrien kam, zusammen mit fünf anderen jungen Künstlern internationaler Herkunft, alles Diplomanden der Akademie der Bildenden Künste München, zu dieser Ausstellung eingeladen.

Alle haben sich mit drängenden existenziellen Fragen unserer Zeit befasst und bei Hiba Al Ansari geht es um den Krieg in Syrien, um nächtliche Bombenangriffe, um Angst und Terror. Die Bettdecke, die im Schlaf schützen soll, wird zur Topografie des Grauens. An der Wand hängen noch zwei Luftaufnahmen, die wohl kurz nach einem Angriff auf eine syrische Stadt entstanden sind. Die großen Explosionswolken, die weich und watteartig nach oben wachsen, sehen fast genauso aus wie die Schafwollknäuel auf der Bettdecke. Die eingestickten Muster und Zeichnungen stellen den Stadtplan der bombardierten syrischen Stadt Raqqa dar. Hier ist also gar nichts gemütlich.

Nicht ganz so schnell erschließt sich dem Betrachter die Installation von Iwona Rozbiewska. Über einem festen Block aus Ziegelsteinen schwebt ein überdimensional großer Löffel, schlicht und funktional gebaut. Sie hat sich hier von einem Gedicht von Bertolt Brecht inspirieren lassen, mit dem er die ausweglose Situation mittelloser Migranten beschreibt, die trotz allem hoffen, an ihrem neuen Ziel das gelobte Land zu erreichen: "Ihr seid wie Leute, die an den Meeresstrand kommen; Wollen hinüber; Und haben nur einen Löffel, das Meer auszuschöpfen". So wie die vielen Flüchtlinge, die in kleinen, überfüllten Schlauchbooten, ohne Wasser und Schwimmwesten, versuchen, das Mittelmeer zu überqueren.

Wasser ist das Thema der Malerin Jungmin Park, die aus Südkorea kommt. Sie will Wasser nicht als Teil einer Landschaft, sondern als Gegenstand darstellen. Man erkennt Strukturen und Schichten, in den Tropfen und Wasserserien sind auf der Oberfläche Details versteckt. Über allem steht bei Jungmin Park die Erinnerung an ihre koreanische Heimat.

Mit Holz arbeitet Thomas Breitenfeld aus München. Gleichzeitig ist er auch Meister im Metall- und Glockengießerhandwerk. Seine schöpferische Arbeit sei stets ein Prozess, sagt er selbst. Er spürt den Formen nach, die ihm das Material vorgibt. Im Gefängnis zeigt er Skulpturen, die an kleine Lebwesen im Erdreich erinnern, wenn man sie durch ein Mikroskop betrachtet. Thomas Breitenfeld bearbeitet sein Material intensiv. Er zersägt den Holzblock zu schmalen Bändern und fügt diese dann zu sich auftürmenden Gebilden zusammen. Die Ausstellung zeigt außerdem großformatige Bleistiftzeichnungen von Anna Pfanzelt, die auf der Suche nach dem ist, was den Menschen ausmacht, sowie Collagen von Domino Pyttel. Hybride Wesen, in denen Menschen, Tiere und Pflanzen ineinander verschmelzen, wohl weil sie enger miteinander verbunden sind, als man glauben mag.

"Die Kunst ist ein ernstes Spiel": Altes Gefängnis, bis 29. April, Freitag 15 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung, 0 81 61/63 619 oder 0 81 65/85 33, Eintritt frei.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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