Flüchtlingsdebatte:"Sollen wir das alles  hier  jetzt wieder abreißen?"

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CSU-Landrat Martin Bayerstorfer nutzte den Medienauftrieb in Erding, um seinen Unmut über die Unterkunft für 5000 Flüchtlinge loszuwerden. (Foto: Renate Schmidt)

Innenminister Thomas de Maizière besucht den Warteraum Asyl in Erding - und gerät mit dem CSU-Landrat aneinander

Von Sebastian Fischer, Erding

In der Nacht zum Sonntag sind 16 Busse mit insgesamt 890 Flüchtlingen in Erding angekommen, am Tag davor nur ein Bundesinnenminister. Dennoch wählte der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) den Samstag für einen Besuch des sogenannten Warteraums Asyl. Er hatte etwas vor.

Thomas de Maizière (CDU) war zu Gast, um das Gelände der Luftwaffe zu begutachten, das Helfer vom Roten Kreuz und dem Technischen Hilfswerk gemeinsam mit Bundeswehrsoldaten unter Regie des Bundesamts für Migration (Bamf) in wenigen Wochen zu einem von bundesweit zwei Kurzzeitlagern für bis zu 5000 Flüchtlinge umgebaut haben. "Toll", sagte de Maizière, wie hier auch mal improvisiert worden sei, mit unbürokratischen Absprachen zwischen den verschiedenen Organisationen: "Da können Sie alle stolz sein."

Landrat Bayerstorfer aber ist nicht so stolz darauf, er ist eher ziemlich sauer. "Auf Kosten der Kommune!", fiel er deshalb dem Innenminister ins Wort: Die Pläne seien nicht mit der Kommunalpolitik abgestimmt, was nun entstanden sei, sei zwar schön, "aber nicht mit der bayerischen Bauordnung vereinbar", polterte er. De Maizière schaute verdutzt. Dann ließ er sich auf eine Grundsatzdiskussion vor laufenden Kameras ein, in einem schroffen Ton, der nicht versteckte, was er von Bayerstorfers Vorstoß hielt: "Und ist das jetzt gut oder schlecht?"

Bayerstorfer legte nach: Dass die Flüchtlinge das Gelände wieder verlassen dürften und es keine Statistiken darüber gebe, wohin wie viele Menschen weiterziehen, "ist ein Riesensicherheitsrisiko für beide Seiten." Zuständigkeiten seien ungeklärt, Rettungseinsätze verursachten Kosten für den Landkreis, Sozialpädagogen müssten sich um unbegleitete Minderjährige kümmern, die nicht weiterverteilt werden. "Wir haben keine personellen Kapazitäten", rief Bayerstorfer. CSU-Innenminister Joachim Herrmann dagegen sagte erst mal lieber nichts. Und de Maizière fragte schroff: "Was sollen denn dann jetzt die Konsequenzen sein? Sollen wir das alles hier jetzt wieder abreißen, oder was?" Natürlich sehe er ein, sagte Bayerstorfer, dass die Einrichtung gebraucht werde, er sei ja nicht weltfremd. "Ist ja schon mal was", raunte de Maizière.

In 18 Flugzeughallen und zehn winterfesten Zelten sollen in Erding bis zu 5000 Asylbewerber untergebracht und spätestens nach drei Tagen in ganz Deutschland weiterverteilt werden. Dadurch sollen vor allem die Grenzregionen entlastet werden. Auch eine Nutzung als Transitzone, über deren Einrichtung in Berlin gerade debattiert wird, schloss der Bundesinnenminister am Samstag nicht aus.

Er schlug vor, sich doch mal mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen, um Lösungen zu finden - dann setzte er seinen Rundgang durch den Warteraum fort. Später lobte er noch die Erdinger Flüchtlingshelfer und den "Geist, den es braucht, um die Herausforderungen der Flüchtlingskrise zu lösen." Landrat Bayerstorfer meinte er damit wohl eher nicht - der stand ein paar Meter weiter vor den Kameras und sprach von den Ängsten in der Bevölkerung.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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