Flüchtlingsbetreuung:Umstrittene Verträge bringen Hilfsorganisationen gegeneinander auf

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Wie viele Sozialarbeiter sollen sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie diese kümmern? Darüber tobt ein Streit zwischen den Trägern. (Foto: dpa)

Zusatzvereinbarungen zur Betreuung von Flüchtlingen belasten das Verhältnis zwischen den Sozialverbänden immer massiver. Es geht um Millionen - nun platzt zwei Verbandschefs der Kragen.

Von Thomas Anlauf

Die umstrittenen Verträge zwischen Stadtjugendamt und den freien Trägern zur Betreuung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge belastet zunehmend das Verhältnis zwischen den Organisationen. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege seien über die Ergänzungsvereinbarung zwischen Jugendamt und Jugendhilfeverbund (JHumF) "nicht informiert" worden, schreiben Caritas-Geschäftsführer Norbert J. Huber und Günther Bauer, Vorstand der Inneren Mission in einer gemeinsamen Erklärung.

Die beiden Verbandschefs kritisierten am Montag öffentlich die "sich etablierenden Parallel-Strukturen" in der Flüchtlingshilfe. Bislang wurde lediglich hinter vorgehaltener Hand von "Mauscheleien" bei der Vergabe von Aufträgen in der Flüchtlingsarbeit gesprochen.

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Bauer und Huber fühlen sich offenbar durch die Zusatzvereinbarungen übergangen. Caritas und Innere Mission München haben zwar als Verbandsvertretungen einen Sitz im Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrats, doch dort wurden die Verträge nie vorgestellt. "Angesichts des wirtschaftlichen Umfangs und der fachlichen Bedeutung des Vorgangs" hätte die Entscheidung über den Millionen-Zuschuss an die freien Träger der Ausschuss fällen müssen, finden Bauer und Huber.

Die Vereinbarungen waren aber lediglich vom kommissarischen Leiter des Jugendamts, Markus Schön, und den Trägern getroffen worden. Sie sehen einerseits eine Verdoppelung des Personalschlüssels für die Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen vor. Zum anderen einen Personalabbau um 30 Prozent bis Ende August, um die viel zu hohe Mitarbeiterzahl bei den freien Trägern auf den nun geltenden Betreuungsschlüssel anzugleichen.

Doch nach wie vor bezahlt die Stadt für zu viele Sozialarbeiter, wie Angela Bauer vom HPKJ und Frederik Kronthaler von Condrobs einräumen. Diese "flexible Reserve" und überzähligen Mitarbeiter sollten eigentlich "sinnvoll in andere Bereiche der sozialen Arbeit" eingesetzt werden, etwa in den Gemeinschaftsunterkünften. Dort "befinden sich zahlreiche begleitete Kinder und Jugendliche und deren Angehörige, die Bedarf an intensiverer Betreuung aufweisen", heißt es in einer Stellungnahme des Verbunds JHumF, in dem neun Träger zusammengeschlossen sind. Nach Aussage von Bauer und Kronthaler hätten die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege dies jedoch abgelehnt.

Tatsächlich sind Caritas und Innere Mission der Meinung, dass der ambulante Jugendhilfebedarf für junge Erwachsene in Gemeinschaftsunterkünften "nach unserem Kenntnisstand nicht vorhanden" sei. Damit gebe es dort auch "keine Verwendung für das gesamte Personal" der freien Jugendhilfeträger. Den Vorwurf, eine gute Versorgung und qualitativ hochwertige Betreuung in den Einrichtungen zu verhindern, weisen Caritas und Innere Mission "entschieden zurück".

Vielmehr brauche es keine "Sondermaßnahmen", wie sie der Trägerverbund nun fordere. Huber und Bauer appellieren an eine Rückkehr zum bewährten Betreuungssystem. Die Vorwürfe halten sie für ein "untaugliches Ablenkungsmanöver". Derzeit prüft das städtische Revisionsamt, ob die Zusatzvereinbarungen überhaupt rechtmäßig sind.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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