Flüchtlinge in München:"Das ist eine Mammutaufgabe"

Lesezeit: 3 min

Täglich kommen Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. Die Stadt hat nun sieben weitere Standorte für Unterkünfte beschlossen. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der Stadtrat hat sich darauf geeinigt, dass 70 neue Stellen geschaffen und an sieben neuen Standorten Unterkünfte für Flüchtlinge errichtet werden sollen.
  • Zuvor debattierten sie aber über die grundsätzliche Ausrichtung der Asylpolitik, über die Herausforderungen für München - dabei blieb nicht jeder der Diskussionsteilnehmer sachlich.

Von Inga Rahmsdorf

Es war eine kontroverse und teils emotionale Diskussion, die die Stadträte am Mittwoch führten. Dabei ging es allerdings nicht um den Beschluss selbst, über den abgestimmt wurde. Alle Fraktionen waren sich einig darin, dass 70 neue Stellen geschaffen und an sieben neuen Standorten Unterkünfte für Flüchtlinge errichtet werden sollen, darunter auf drei Grundstücken Leichtbauhallen. Und das beschlossen sie am Ende auch einstimmig.

Zuvor debattierten sie aber über die grundsätzliche Ausrichtung der Asylpolitik, über die Herausforderungen für München und über die Frage, welche Rolle bei dem Thema der Kommune zukommen. Dabei betonten zwar alle Fraktionen, dass eine sachliche und ideologiefreie Diskussion wichtig sei, doch so richtig gelingen wollte das dann trotzdem nicht jedem.

SPD-Fraktionschef äußerte sich in der Sitzung gar nicht

SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hatte am Montag für Aufsehen gesorgt, als er dem Münchner Merkur sagte, dass nicht alle Flüchtlinge in München willkommen seien und man differenzieren müsse. In seiner eigenen Partei sowie bei den Grünen war er damit auf heftige Kritik gestoßen. Am Mittwoch äußerte sich Reissl in der Stadtratssitzung dann überhaupt nicht, sondern erklärte lediglich in einer Pressemitteilung, dass die Stadt weiterhin angemessene Unterkünfte für alle Flüchtlinge bieten müsste, "und zwar ganz unabhängig davon, welche Bleibeperspektive sie bei uns haben".

Flüchtlingsdebatte
:Heftige Kritik an SPD-Fraktionschef

Der Vorsitzende der SPD im Rathaus, Alexander Reissl, will nicht alle Flüchtlinge gleichermaßen willkommen heißen - und stößt in seiner Partei auf Entsetzen.

Von Inga Rahmsdorf

Die CSU-Fraktion hatte am Dienstag die Aussagen von Reissl begrüßt. Im Stadtrat am Mittwoch knüpfte dann nur Michael Kuffer (CSU) an diesen Punkt an und sagte, dass es nicht ehrlich sei, allen Flüchtlingen zu sagen, sie seien willkommen, wenn viele sowieso keine Chance auf Asyl hätten. Bürgermeister Josef Schmid (CSU) dagegen distanzierte sich von der Wortwahl Reissls, und sagte, dass der Ausdruck "nicht jeder ist willkommen" nicht geeignet sei für eine sachliche Debatte.

Probleme, freie Grundstücke zu finden

Schmid plädierte in der Stadtratssitzung einerseits dafür, allen Menschen zu helfen, die hier ankommen. So stimmte er auch der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Gülseren Demirel in dem Punkt zu, dass München eine reiche Stadt sei und auch gemessen an der Einwohnerzahl die Zahl der Flüchtlinge nicht hoch sei. Andererseits verwies er aber auf die Probleme, freie Grundstücke zu finden, und auf Grenzen, die erreicht seien. Mit dem Entschluss, Leichtbauhallen zu bauen, habe die Stadt bereits eine "weitere Stufe überschritten", so Schmid.

Er warnte vor Zeltlagern und Traglufthallen, die noch auf München zukommen könnten, und die man eigentlich vermeiden wollte. Als Konsequenzen forderte er, den bundesweiten Verteilungsschlüssel zu ändern, die von Ministerpräsident Horst Seehofer geplanten Ankunftszentren für Balkanflüchtlinge zu errichten und eine sichere Drittstaatenlösung für bestimmte Länder zu erlassen.

"Diese Diskussion ist hier völlig fehl am Platz"

Beatrix Zurek (SPD), Marian Offman (CSU) und Gülseren Demirel (Grüne) hielten dagegen, dass die Frage, wer Asyl erhält, gesetzlich geregelt sei und nicht Aufgabe der Kommune. "Diese Diskussion ist hier völlig fehl am Platz", so Zurek. Die SPD-Stadträtin kritisierte, dass "wir noch nicht einmal die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen beschließen können, ohne die globale politische Debatte über Asyl zu führen". Wichtiger sei es, dass der Stadtrat sich auf das konzentriere, was seine Aufgabe sei, nämlich die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge in München, unabhängig von ihrer Herkunft. Sie habe den Eindruck, dass Probleme herbeigeredet werden, die es gar nicht gebe, so Zurek. "Schließlich gibt es keine Konflikte mit den Flüchtlingen in den Unterkünften. Und es gibt eine ungeheure Bereitschaft von Münchnern, die mit Flüchtlingen arbeiten."

Flüchtlinge in München
:Endstation Hauptbahnhof

Allein im Juli kamen 3000 Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. Bundespolizisten nehmen sie in Empfang - oft unter Beschimpfungen von Passanten. Ein neues Zentrum soll helfen.

Von Susi Wimmer und Philipp Schulte

CSU-Stadtrat Offman lobte auch den Einsatz von Stadtrat und Verwaltung, die sich mit allen Kräften bemühten, die Menschen unterzubringen. "Das ist eine Mammutaufgabe, und das zu schultern, soll unser gemeinsames Interesse sein", sagte er. Wenn er am Hauptbahnhof die Flüchtlinge sehe, die dort ankommen, "die Frauen und Kinder mit Angst in den Augen", das berühre ihn. Da erübrige es sich, ob eine Unterkunft dann 50 Meter weiter links oder rechts gebaut werde.

"Wir sollten nicht die Krise herbeireden"

Zurek warb zudem dafür, sensibler bei der Sprachwahl zu sein und Begriffe wie "Wirtschaftsflüchtlinge" nicht zu benutzen, das seien schließlich Menschen, die vor Elend und Armut geflohen sind. "Wir sollten nicht die Krise herbeireden", forderte auch Anne Hübner (SPD) und kritisierte Schmid dafür, dass er ständig sage, wie überfordert die Stadt sei. Die Hilfsbereitschaft sollte nicht davon abhängen, wie viele Menschen ankommen, so Hübner. "Wir sind das reichste Land Europas."

Auch Sozialreferentin Brigitte Meier, die die Suche nach Unterkünften koordiniert, betonte, wie gut es trotz der großen Herausforderungen laufe. Es sei überhaupt nicht zu vergleichen mit der Situation Anfang der Neunzigerjahre, als ebenfalls viele Flüchtlinge kamen. Die Infoveranstaltungen würden meist sachlich und unaufgeregt verlaufen. "Das Gros der Münchner hat Verständnis", sagte Meier. "Wir müssen nur weiter Ruhe bewahren und Behutsamkeit an den Tag legen."

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: