Wirtschaftskammer Landshut:Steuerhinterziehung im großen Stil

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Ein Immobilienunternehmer aus Erding hat sich durch fingierte Rechnungen 550 000 Euro an Steuern gespart. Jetzt steht er in Landshut vor Gericht

Von Florian Tempel, Landshut

Ein ehemaliger Immobilienunternehmer aus Erding steht seit Dienstag wegen massiver Steuerhinterziehung in Landshut vor Gericht. Der 48-Jährige hat laut Anklage in den Jahren 2010 bis 2012 mit Scheinrechnungen Betriebsausgaben von mehr als einer Million Euro in seinen Steuererklärungen geltend gemacht und sich so 550 000 Euro Gewerbe- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag gespart. Die fingierten Rechnungen wurden ihm von einem Geschäftspartner ausgestellt, der dafür zehn Prozent Provision erhalten haben soll.

Der Angeklagte ist seit vielen Jahren in der Branche tätig. Er hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert, ein Abendstudium zum Finanzfachwirt drangehängt und ein paar Jahre bei Bausparkassen gearbeitet, bevor er sich Ende der Neunzigerjahre selbständig machte. Sein bevorzugtes Geschäftsmodell sah so aus: Er erwarb Mehrfamilienhäuser, meistens im Großraum München, aber auch in Augsburg oder Landshut, ließ die Wohnungen renovieren und verkaufte sie anschließend einzeln als Eigentumswohnungen. Offenbar gingen seine Geschäfte schon früher nicht immer mit rechten Dingen zu. Vor sechs Jahren wurde er wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Fünf Monate nach seinem Haftantritt im Frühjahr 2010 wurde der Angeklagte wegen guter Führung Freigänger. Bis zu seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis im Oktober 2011 arbeitete er nun tagsüber als Paketzusteller. Das war aber noch nicht alles. Er fand Zeit, nebenbei auch wieder seinen Immobiliengeschäften nachzugehen. So kaufte er im September 2010 - zu diesem Zeitpunkt saß er seit einem halben Jahr im Knast und hatte erst seit einem Monat Freigang - in Garching ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen. In den folgenden drei Jahren sollten diese Wohnungen renoviert werden und vor allem fünf weitere Wohnungen auf dem Dach dazukommen. Die Finanzierung des Projekts lief über eine Genossenschaftsbank, die dem Angeklagten 3,9 Millionen Euro Kredit gewährte.

Sein Freigänger-Job als Paketfahrer sei ideal für ihn gewesen, sagte der Angeklagte vor Gericht, weil er eine Zustellertour in Garching hatte. So konnte er regelmäßig auf der Baustelle nachschauen. Das ging etwa ein Jahr lang so, bis er im Oktober 2011 aus der Haft entlassen wurde. "Noch am gleichen Tag", sagte der Angeklagte vor Gericht, sei er mit seiner Frau und seinen Kindern aus Erding nach Südafrika umgezogen. Seine Immobiliengeschäfte habe er seitdem von seinem neuen Zuhause in der Nähe von Kapstadt aus abgewickelt. Ab und an flog er zurück nach Bayern - allein schon, weil ihm die südafrikanischen Behörden wegen seiner gravierenden Vorstrafe kein dauerhaftes Visum gaben. Als er vor einem Jahr wieder einmal nach München geflogen war, wurde er verhaftet und sitzt seitdem in Landshut in Untersuchungshaft.

Bei Steuerermittlungen war aufgeflogen, dass der Angeklagte massenhaft fingierte Rechnungen verbucht hatte. Allen diesen Rechnungen war eines gemein: Sie stammten von Baufirmen aus Berlin und es war nicht ersichtlich, welche Leistungen diese Firmen erbracht hätten. Tatsächlich waren sie von einem Bekannten des Angeklagten erstellt worden. Für die Bezahlung der Rechnungen gab die Bank des Angeklagten Kreditzahlungen frei. Der Bekannte überwies danach das Geld, abzüglich zehn Prozent "Provision" für sich selbst, an den Angeklagten.

Vor Gericht räumte der Angeklagte ein, dass die Rechnungen gefälscht waren. Um mit einer milderen Strafe davonzukommen, hat er laut Angaben seiner Verteidigerin auch bereits mehr als 400 000 Euro Steuern nachgezahlt. Seine Erklärung, warum er überhaupt mit solchen betrügerischen Tricks gearbeitet habe, macht die Sache jedoch nicht besser. Er habe die Rechnungen über seinen Bekannten nur deshalb ausstellen lassen, sagte der Angeklagte, weil die Baufirmen, die wirklich für ihn arbeiteten, bar bezahlt werden wollten. Der Angeklagte sprach es selbst nicht aus, doch der Vorsitzende Richter der Wirtschaftskammer, Alfons Gmelch, erkannte sofort, um was es offensichtlich auch ging: Um Schwarzarbeit auf den Baustellen des Angeklagten. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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