Umwelt:Weniger Aktionismus, mehr Effizienz

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Der Wissenschaftler Wolfgang Weisser erforscht, wie Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten werden können

Von Katharina Aurich, Freising

Der Biologe Professor Wolfgang Weisser forscht auf allen Ebenen dafür, Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu erhalten. Erst wenn Arten verschwunden sind, falle uns vielleicht auf, dass etwas fehle. Aber dann sei es zu spät, sagt Weisser. Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass ein Miteinander von Mensch und Natur möglich und finanzierbar sei. Die Hälfte des gesamten EU-Haushalts fließe in die Subventionierung einer Landwirtschaft, die hauptsächlich für den Artenrückgang verantwortlich sei, kritisiert er. Mit diesem Geld "könnten wir schöne, vielfältige Landschaften erhalten, in denen gesunde Lebensmittel wachsen".

Weisser ist kein Fan davon, ausschließlich Schutzgebiete auszuweisen. Um die Einzigartigkeit der Flora und Fauna zu bewahren, seien intelligente Lösungen gefragt. Die Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen müssten mehr in die von Menschen dominierten Bereiche integriert werden. "Wir brauchen multifunktionale Landschaften", so sein Credo.

Seit 2011 forscht und lehrt Weisser am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München und hat den Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie inne. Nach seinem Studium der Biologie machte er an der Universität Oxford in England seinen Doktor, danach führten ihn Postdoc-Aufenthalte nach Ascot und Basel, 1999 erhielt er eine Professur in Jena. Eines seiner Schwerpunktthemen sind die Auswirkungen menschlicher Eingriffe wie Pflügen, Ernten oder aber der Straßenbau auf die biologische Vielfalt. Außerdem ermittelt er, wie effektiv einzelne Schutzmaßnahmen sind.

Das viele Geld, das wir für den Naturschutz ausgeben, stehe in keinem Verhältnis dazu, was dabei heraus kommt, betont der Biologe. Mit evidenz-basierten Studien möchte Weisser herausfinden, welche Eingriffe tatsächlich die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen verbessern. Ein negatives Beispiel sei beispielsweise das sicher gut gemeinte, aber meist wirkungslose Anlegen von Blühstreifen für Bienen. Denn sie lebten oft im Ackerboden oder im Totholz, der Boden werde jedoch häufig gepflügt, außerdem gebe es in der Nähe meist wenig Totholz. Das Schaffen solcher "Wohnräume" werde aber bisher nicht gefördert.

Um die biologische Vielfalt effektiv schützen zu können, müsse man wissen, welcher menschliche Eingriff die größten Auswirkungen habe. Eine europaweite Studie in Weizenfeldern belege, dass man den Pestizideinsatz verringern müsse, wolle man die Artenvielfalt erhöhen. Weisser will dem Gesetzgeber Handlungsempfehlungen geben, um Maßnahmen genau abzuwägen. Grundsätzlich sei integrierter Pflanzenschutz, der das Potenzial der Natur gegen Schädlinge nützt und Pestizide nur dann einsetzt, wenn es notwendig wird, sinnvoll. Aber diese Form des Pflanzenschutzes sei viel zu wenig verbreitet, bedauert Weisser.

Auch Naturschutzmaßnahmen könnten effizienter sein, sagt der Wissenschaftler. Ein Dorn im Auge sind ihm beispielsweise Wildbrücken über Autobahnen. Dafür werde unglaublich viel Geld ausgegeben, aber niemand untersuche, ob man denselben Effekt nicht mit der Hälfte der Kosten erreicht hätte, kritisiert Weisser. Der Aktionismus stehe im Vordergrund.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist das "Animal-Aided Design", für das er mit Architekten zusammenarbeitet. Ausgangspunkt sei eine einfache Frage gewesen, als er den Bebauungsplan für ein neues Wohngebiet sah: "Wo sind die Tiere?" Wolfgang Weisser fordert deshalb, auch die Bedürfnisse von Tieren beim städtischen Bauen zu berücksichtigen.

Diese Herausforderung mache ihm Freude. Es genüge nicht, einfach einen Nistkasten an die Fassade zu hängen. Architekten und Biologen entwerfen gemeinsam Innenhöfe, Grünflächen sowie Dach- und Giebelflächen, die auch Tieren ein zu Hause geben.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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