Sonntagsbegegnung:Gott und die Probleme dieser Welt

Lesezeit: 2 min

Günther Beckstein (CSU) und Gregor Gysi (Linke) diskutieren über religiöse Vorstellungen - oft sind sie sich einig

Von Max Nahrhaft, Markt Schwaben

"Ohne die Kirche gibt es keine moralischen Maßstäbe, die politischen Parteien können keine allgemein verbindlichen Moralnormen aufstellen." Dieser Satz fiel am Sonntag bei der Diskussion zwischen Günther Beckstein (CSU) und Gregor Gysi (Linke). Er stammte aber nicht aus dem Mund des früheren bayerischen Ministerpräsidenten, sondern von dem von Gastgeber Bernhard Winter als "anti-klerikal" angekündigten Linken-Politiker Gregor Gysi. Es war zu erwarten, dass die Politiker in vielen Punkten konträre Meinungen haben, doch es taten sich auch Symmetrien auf.

Bernhard Winter hatte den Vormittag unter das Thema "Gott und die Welt" gestellt. Religiöse Moralvorstellungen wurden genauso angesprochen wie die Flüchtlingsfrage, internationale Konflikte und die deutsche Sozialpolitik. "Ich möchte mich zunächst einmal für die Einladung bedanken, vor 25 Jahren wäre das in Bayern nicht denkbar gewesen", so Gysi. Er hatte das Publikum auf seiner Seite. "Selbst in der DDR haben wir nach jüdisch-christlichen Werten gelebt, es ist nur niemandem aufgefallen", sagte er. Er tritt zwar grundsätzlich für eine stärkere Trennung zwischen Kirche und Staat ein, lobte aber auch die caritativen Tätigkeiten vieler kirchlicher Einrichtungen. Beim Thema Religionsunterricht in der Schule sind sich die beiden näher als erwartet. Beckstein sagte: "Ich bin ein Befürworter christlicher Konfessionsschulen. Deren Einführung war eine überfällige Lösung für den Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten." Gysi stimmte ihm zu, er sieht aber den eigentlichen Sinn des Unterrichts nicht in der Lehre einer Religion, sondern in der Entwicklung von Toleranz gegenüber allen Religionen. Gysi sagte: "Was wir brauchen, ist die Freiheit hin zur und von der Religion."

Ob die Multireligiosität der Flüchtlinge eine Bereicherung sei, wollte Gysi von Beckstein wissen. "Es ist unsere christliche Pflicht, notgeschundene Menschen bei uns aufzunehmen - bei einem solchen Elend muss einfach geholfen werden. Aber primär sollte diese Hilfe in den Krisenregionen bei uns stattfinden. Im Moment können wir uns bei Österreich und Mazedonien bedanken, die ihre Grenze geschlossen haben", so Beckstein. Gysi antwortete: "Wer hätte gedacht, dass ich jemals Frau Merkel gegen die CSU verteidigen muss?" Er sprach sich gegen eine Obergrenze aus und sagte, er sehe den Anspruch auf Asyl im Grundgesetz verankert. "Allerdings stimme ich zu, dass humanitäre Hilfe in den Krisenregionen essenziell ist."

Neben Krieg erkennen beide Politiker den weltweiten Hunger als Hauptfluchtursache an. Es gebe genug Nahrungsmittel, um die Menschheit zweimal zu ernähren und trotzdem sterben Menschen an Unterernährung. "Der Grund, warum die Menschen jetzt zu uns kommen, ist die Digitalisierung. Wir haben in Europa so gelebt, wie wir leben, weil die Afrikaner das nicht wussten - jetzt wissen sie es", sagte Gysi.

Ein anderes Thema war die deutsche Sozialpolitik. "Wir können stolz sein auf unsere sozial Marktwirtschaft. In Deutschland haben wir ein sehr breites System sozialer Absicherung, und die Mitarbeiter profitieren vom Wohlstand ihres Unternehmens", sagte Beckstein. Gysi hatte dagegen nicht viel einzuwenden. In den Zuschauerfragen wurde die Zusammenarbeit mit Ländern wie der Türkei und Russland angesprochen. Beide plädieren für eine pragmatische Zusammenarbeit, wobei die Verletzung von Menschenrechten nicht unbeachtet bleiben darf. "Wir sind nur glaubwürdig, wenn Menschenrechtsfragen immer gelten, egal ob wir mit dem Staat befreundet sind oder nicht", sagte Gysi mit Zustimmung von Beckstein.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: