Neufahrn:Extrem ehrlich

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Der Liedermacher Konstantin Wecker liest im Gymnasium Neufahrn Texte von Oskar Maria Graf und diskutiert mit Schülern

Von Florian Beck, Neufahrn

Die Schüler des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums in Neufahrn sind am Mittwoch Zeugen einer außergewöhnlichen Veranstaltung geworden. Konstantin Wecker, seines Zeichens "Zeitzeuge der Achtundsechziger" und begnadeter Liedermacher, stattete den Schülern der Jahrgangsstufen Q11 und Q12 einen Besuch ab und las in der Aula Texte des Namenspatrons der Schule vor.

In einleitenden Worten zog Schulleiter Franz Vogl eine Parallele zwischen Wecker und Graf, die sich während der eineinhalb Stunden immer wieder aufs Neue bewahrheitete: "Das Warnen vor Rassismus" vereine die beiden ebenso wie ein gelebter "Pazifismus" und das sich "Nicht-Anpasssen-Wollen", sagte Vogl.

Leider seien diese Werte und das vehemente Einstehen für sie heutzutage gezwungenermaßen "brandaktuell" geworden, es sei "eine Schande, dass rechtsextreme Parteien und ihr Gedankengut wieder hof- und sogar regierungsfähig" seien. Diese extreme Ehrlichkeit und Klarheit, die man sonst in der Schule bei politischen Themen oft vermisst, zog sich durch das Programm wie ein roter Faden.

Der bekennende Pazifist und Anarchist Wecker stellte verschiedene Thesen in den Raum: "Meiner Meinung nach hat niemand das Recht, irgendwem irgendwas zu befehlen" oder gar: "Der Hitler war früher auch nur eine Witzfigur, wie es zum Beispiel ein Höcke heute ist." Das verwirrte viele Schüler anfangs sichtlich. Da stand ein 70-jähriger Mann vor ihnen und machte solche für Erwachsene eher unübliche Behauptungen. Doch die Schüler tauten schnell auf und der Liedermacher erntete von allen Seiten Applaus für seine Aussagen.

Eine der zentralsten war ohne Frage die, dass alle Menschen laut Wecker - selbst bekennender Utopist - Empathie im Denken und Handeln zeigen sollten. "Mir ist ein netter, einfühlsamer, aber ein wenig dümmlicher Mensch tausendmal lieber als ein intelligenter, andere übervorteilender Lindner-Typ!", sagt der Künstler. Damit sorgte der Bayer zwar im Lehrerkollegium für den ein oder anderen Schnauber, zu den Schülern aber fand er mit Sätzen wie diesem Zugang. Nicht nur das Thema "Empathie" brannte dem Liedermacher auf der Seele, er hatte noch eine zweite eindringliche Botschaft an die Jugendlichen: "Schreibt Tagebuch! Schreibt Gedichte! Nur schreibend lernt ihr euch wirklich selbst kennen!" Auch er selbst lerne dabei immer wieder Dinge über sich, die ihm davor unbekannt waren, meinte der Liedermacher.

Allerdings sei Lyrik nicht nur zur Selbstfindung gut, man könne mit ihr auch gegen die Herrschenden protestieren, da sie "am meisten Angst" vor dem hätten, das sie nicht verstünden. "Poesie ist Widerstand" folgerte der Künstler Wecker, dem man ansah, wie wichtig ihm der Austausch mit den Schülern über Themen wie diese an diesem Mittag war.

Zum Schluss war es Schulleiter Franz Vogl selbst, der sich von Wecker die Ballade "Willy" wünschte, die dieser dann bereitwillig und sichtlich gerührt zum Besten gab und damit eine bis dato einmalige Veranstaltung am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium zu einem angemessenen Ende brachte.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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