Leitfaden soll Ort attraktiver machen:Luftballons als Fingerzeig

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Neufahrner haben am Samstag einen Spaziergang durch ihre Gemeinde gemacht. Dabei haben sie mit Luftballons Stellen markiert, die ihnen besonders gefallen oder missfallen. (Foto: Marco Einfleldt)

Ein Spaziergang durch Neufahrn bildet den Auftakt zum städtebaulichen Entwicklungskonzept, das die Gemeinde in Auftrag gab. Bürger markieren Stellen, die ihnen besonders gefallen oder die ihnen als neuralgisch erscheinen

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Den Pfarrweg hätte Birgit Büchl am liebsten mit Luftballons voll gehängt. Weil es dort in ihren Augen nur so wimmelt vor neuralgischen Punkten, wie sie beim "Bürgerspaziergang" am Samstag mit jeweils einem Ballon markiert wurden: Das ehemalige Pfarrhaus samt dem parkähnlichen Garten und den vielen alten Bäumen soll 30 Wohnungen weichen. Der Vorbescheid für die "drei Riegel" wurde im Bauamt und im Landratsamt schon "durchgewunken", erzählten Birgit Büchl und ihre Nachbarn empört. Nah an die Grundstücksgrenzen soll gebaut werden. Eichhörnchen, Eidechsen, Vögel, Kröten und Fledermäuse verlieren ihre Heimat.

"Was ist da mit der Baumschutzverordnung?", fragte sich ein Teilnehmer des Spaziergangs: "Bei jedem Zwetschgenbaum muss man um Erlaubnis fragen, wenn man ihn fällen will, aber hier spielt das keine Rolle." Mit dem alten Pfarrhaus würde ein weiterer Teil der historischen Ortsmitte beseitigt, ärgern sich die Anwohner, die deshalb beim "Bürgerspaziergang" mitgingen. Denn die Aktion war die Auftaktveranstaltung für die Entwicklung eines "integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts" (ISEK), das eine Art Leitfaden werden soll, um den Ort in den nächsten Jahren attraktiver zu machen. Die historische Ortsmitte um die Alte Kirche - so die Vorgabe - soll ebenso aufgewertet werden wie der Bereich um den Bahnhof und die Ortsmitte rund um den Marktplatz.

Ausgearbeitet wird das "ISEK" über das Städtebauforderungsprogramm, in das die Regierung von Oberbayern die Gemeinde aufgenommen hat, sowie mit Unterstützung eines Fachplaner-Teams und unter Beteiligung der Bürger. Etwa 60 Teilnehmer in zwei Gruppen haben den Planern Stellen gezeigt, die in ihren Augen gelungen sind - oder eben auch nicht. Markiert wurden diese mit Ballons in unterschiedlichen Farben für die Bereiche Städtebau, Freiraum, Einzelhandel und Verkehr.

Die Wiese neben dem Marktplatz und die Einkaufsmöglichkeiten im Ortszentrum wurden etwa als Pluspunkte genannt, die Bahnhofstraße dagegen als großes Problem. "Das ist die gefährlichste Straße überhaupt", hieß es da, und "die Autos brettern durch auf Biegen und Brechen". In der Dietersheimer Straße demonstrierte eine Mutter mit Kinderwagen den Planern, dass der Gehweg gegenüber dem alten Mesnerhaus zu schmal ist. Luftballone als Lob gab es dagegen an Bauernhöfen als Reste des "alten Ortsbildes". Und neben dem Hotel Gumberger erzählten einige von der Viehwaage, die es dort noch in den Achtzigerjahren gab. Vielleicht könnte man an solche Stellen mit Hinweistafeln und alten Fotos erinnern, überlegt Städteplanerin und Projektleiterin Astrid Weisel.

Station machte die Gruppe auch an der Echinger Straße vor einem heruntergekommenen Wohn- und Geschäftshaus: "Ich denke ja seit Jahren, dass das alles bald zusammenfällt", stellte eine alteingesessene Neufahrnerin fest. Eine andere, die erst seit kurzem hier lebt, machte Fotos: "Wahnsinn - wenn Graffiti dran wäre, könnte man denken, man wäre in Berlin." Die zweite Gruppe von "Bürger-Spaziergängern" sinnierte da gerade am Bahnhof über die Idee eines Radparkhauses. Man müsse die Maßnahmen, die man in den nächsten zehn bis 15 Jahren umsetzen wolle, jetzt erst einmal "verorten'", erklärte Astrid Weisel: "Im nächsten Schritt geht es dann darum, sie weiter zu entwickeln."

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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