Landshut:Schroffe Kontaktverbote

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Prozess gegen Erdinger Frauenarzt: Der erste Ehemann des Opfers und der Sohn des Angeklagten beleuchten in ihren Aussagen vor Gericht die komplizierten und tief zerrütteten Familienverhältnisse des Ehepaars B.

Von Florian Tempel, Landshut

Im Prozess gegen den wegen Totschlags an seiner Ehefrau angeklagten Erdinger Frauenarzt Michael B. sind der erste Ehemann des Opfers und der Sohn des Angeklagten aus dessen ersten Ehe vernommen worden. Zur Aufklärung, wie und warum Brigitte B. am 4. Dezember 2013 getötet wurde - der Angeklagte bestreitet, etwas mit ihrem Tod zu tun zu haben -, konnten die beiden zwar nichts beitragen. Ihre Angaben beleuchteten jedoch in interessanter Weise die komplizierten und teilweise völlig zerrütteten Familienverhältnisse des Ehepaars B.

Der 65 Jahre alte erste Ehemann von Brigitte B. war zuvor schon einmal verheiratet gewesen und hatte mit seiner ersten Frau einen Sohn. Brigitte B. habe nach ihrer Heirat Anfang der 1980er Jahre von ihm verlangt, denn Kontakt mit seinem Kind abzubrechen. Er habe sich nur kurzzeitig gesträubt und schließlich ihrer Aufforderung entsprochen. Der Bruch mit einem ersten Sohn war endgültig. Bis heute habe er ihn nie wieder gesehen. 1986 und 1990 schenkte ihm dann Brigitte B. einen Sohn und eine Tochter. Bis zu ihrer Trennung Ende 1999 hätten sie ein gutes Familienleben und eine "angenehme und harmonische Ehe" geführt. Er habe als Textilunternehmer sehr gut verdient. Brigitte B., mit der er in Gütertrennung lebte, habe er im Laufe der Jahre einiges an Vermögen übertragen, unter anderem ihr gemeinsames Wohnhaus in Hasbergen bei Osnabrück und etwa 200 000 Euro Bargeld. Im Nachhinein sehe er es jedoch so: "Sie hat alles vereinnahmt, was sie kriegen konnte."

Das Ende ihrer Ehe 1999 sei von ihm ausgegangen, da er eine neue Frau kennen gelernt habe. Kurze Zeit darauf ging auch seine Firma pleite und er musste Insolvenz anmelden. Heute lebe er von Hartz IV-Leistungen. Nach der Trennung habe ihm Brigitte B. "untersagt", seine Kinder weiterhin zu sehen. Auch dieser Bruch war endgültig. Später adoptierte der Angeklagte Michael B. die Kinder.

Der 26-jährige Sohn des Angeklagten berichtete, dass die Trennung seiner Eltern im Jahr 2004 für ihn und seine drei Schwestern völlig überraschend gekommen sei. Dass sein Vater drei Jahre später den Kontakt zu ihnen völlig abbrach, habe ihn tief verletzt: "Jeder, der vier Kinder in die Welt setzt, muss doch mit ihnen Verbundenheit empfinden." Er widersprach dabei der Darstellung des Angeklagten, dass seine Mutter ihn und seine Schwestern nicht mehr zum Vater lassen wollte. Im Gegenteil habe sie gewünscht, dass weiterhin Kontakt bestehe. Doch erst Anfang November 2013 habe er erstmals wieder einen Anruf von seinem Vater erhalten. Dieser habe ihm am Telefon verboten, an der Beerdigung seiner Großmutter in Osnabrück teilzunehmen. Auch das habe ihn schwer verletzt. Denn im Gegensatz zur Darstellung des Angeklagten hätten er und seine Geschwister ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Großeltern gehabt. So habe er zusammen mit seinem Großvater seine Großmutter am Tag vor ihrem Tod im Krankenhaus besucht, sagte der Sohn.

Das Verbot, zur Beerdigung zu erscheinen, sei für ihn eindeutig von Brigitte B. ausgegangen, sagte der Sohn weiter. Denn auch sie habe ihn damals angerufen, in zwei kurzen Gesprächen aber nur "angeschrien". Ein weiteres Telefonat mit seinem Vater am gleichen Abend, das Brigitte B. offensichtlich mitgehört habe, sei mit "der allergrößten Enttäuschung" für ihn geendet. Er habe in dem Telefonat seinen Vater gebeten, "wieder eine normale Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen" - was dieser jedoch schroff abgelehnt habe.

Er glaube, so der Sohn, dass sein Vater "in seinem tiefsten Inneren" sehr wohl Kontakt mit seinen vier leiblichen Kindern haben wollte - "doch er war gefangen durch eine andere Person".

© SZ vom 20.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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