Konzert:Grenzgänger an der Flöte

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Manfred Ludwig gilt als einer der erfolgreichsten Flötisten seiner Generation. (Foto: Jens Gerber/oh)

Der gebürtige 33-jährige Erdinger Manfred Ludwig bringt neue Töne in die klassische Musik. Anfang März kommt das Mitglied des Leipziger Gewandhausorchesters für ein Konzert in die Stadthalle

Von Thomas Jordan, Erding

"Dich kenn ich, du bist doch der mit der Querflöte!" Wenn Manfred Ludwig die Kreismusikschule Erding besucht, bleibt das nicht lange verborgen. Von der Balustrade in der Aula grüßt der Hausmeister. Und fragt, ob Ludwig Notenständer für sein Konzert am 4. März in der Stadthalle braucht. Der 33-Jährige, der seit zehn Jahren Flötist im Leipziger Gewandhausorchester ist, lächelt. Und wechselt von einem Satz auf den anderen ins Bayerische.

Erding, das ist für Ludwig, der im Stadtteil Langengeisling aufgewachsen ist, "einfach die Heimat". Der Ort, an den der 33-Jährige zurückkommen kann, wenn es ihm im Berufsalltag als Profimusiker mal zu viel wird. Wo es das gute Essen der Mama gibt und wo er "von vorne bis hinten umsorgt wird", wie er sagt. Auch wenn Ludwig schon seit dem Abitur nicht mehr hier lebt und sein letztes Konzert in der Großen Kreisstadt beinahe zehn Jahre her ist. Es gab einfach zu viel zu tun. Mit dem Gewandhausorchester, seinem Flötenensemble Quintessenz und mit den Wagner-Festspielen. Zum zweiten Mal spielt er in diesem Sommer auf dem grünen Hügel. Eigentlich würde er auch mal wieder gerne Urlaub machen, aber: "Wenn Bayreuth anruft, sagt man nicht Nein."

Dabei war es alles andere als ausgemacht, dass Manfred Ludwig aus Langengeisling einmal in der Champions-League der klassischen Musik zu Hause sein würde. Dass er als Fünfjähriger überhaupt eine Flöte in die Hand nahm, verdankt er einem Zufall. Denn mit Musik hatten seine Eltern nichts am Hut. Aber mit Reisen. Und so kam es, dass der Vater des heutigen Orchesterflötisten eines Tages in Nepal eine Bambusflöte kaufte. Das Kindergartenkind griff sich das Instrument und heraus kam "Backe, backe Kuchen." Einfach so. Ohne Anleitung. Da wurde den Eltern klar, der Junge braucht Musikunterricht.

"In gewisser Hinsicht war es auch die Naivität, die mir geholfen hat" sagt Ludwig mit Blick auf seine schnelle Karriere. Etwa bei den Wettbewerben und Probespielen an denen er teilnahm. Der heute 33-jährige kannte zwar die Partituren, aber all die anderen Fallstricke, die beim Kräftemessen der Besten eines Fachs lauern, kannte und fürchtete er daher auch nicht. Nach dem Jungstudium an der Hochschule für Musik und Theater München und dem Soloflötenstudium in Hannover wurde er mit 23 Jahren einer der jüngsten Musiker des Leipziger Gewandhausorchesters. Geholfen hat Ludwig aber auch, dass er sich nicht so leicht entmutigen lässt. Nach der ersten Unterrichtsstunde sagte seine Erdinger Flötenlehrerin Claudia Góndola de Hackel:"Das lernt der nie". Später sollte sie acht Jahre lang seine Privatlehrerin bleiben. "Ohne sie würde ich den Beruf nicht ausüben", sagt Ludwig heute. Sie brachte dem Jungen die Neue Französische Schule des Flötenspiels nahe. Mit Komponisten der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert wie Claude Débussy und Camille Saint-Saëns und den Flötenvirtuosen der Gegenwart, wie dem Berliner Philharmoniker Emmanuel Pahud. "Pahud war unser aller Idol" sagt Ludwig. "Der wirkte immer auch noch so cool und war relativ jung".

Leichtigkeit und Eleganz sind wichtige Eigenschaften für Flötisten. Gerade weil hinter dem silbrig-brillanten Klang der Querflöte, der im besten Fall auf dem des restlichen Orchesters zu schweben scheint, harte Arbeit steckt. Denn ein Flötist braucht mehr Luft als ein Trompeter und ähnelt von der Luftführung eher einem Sänger. Profimusiker Ludwig drückt es in einem Vergleich aus: Als Flötenspieler gleiche man einer Ente. Die müsse auf dem Wasser gleiten, aber drunten kräftig paddeln.

Ludwig verbindet diese elegante Leichtigkeit mit einer zupackenden Neugierde und einer großen Lust am musikalischen Experimentieren. Seit zwei Jahren ist Ludwig Mitglied bei Quintessenz, einem der weltweit innovativsten Flötenensembles. Die Leipziger schreiben ganze Orchesterwerke für Kammermusik um und probieren neue Klangtechniken aus. Bei seinem Konzert mit Quintessenz in der Stadthalle Erding am 4. März wird Ludwig bei Camille Saint-Saëns' "Danse Macabre", dem geheimnisvollen Totentanz, einen Schnarrkopf auf seiner Flöte tragen. Eine Sonderanfertigung, die bewirkt, dass ein quäkiger Ton erklingt, der die verstimmte Geige in Saint-Saëns' Originalkomposition wiedergibt. "Die Grenzen immer weiter nach vorne pushen", nennt der 33-Jährige das und geht noch weiter, wenn er fragt: "Was ist denn klassische Musik? Ein Beat, ein Rhythmus. Ohne den geht es nicht." Darin trifft sich Barock mit zeitgenössischer Elektro-Musik. Und wenn der 33-Jährige am Wochenende mal den Kopf frei kriegen will und gerade nicht nach Erding fahren kann, dann geht er in die Disco. "Bach und Techno, das ist absolut vereinbar."

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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