Kommunalwahl in Erding:Lokalkolorit statt Parteipräsenz

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Erding ist CSU-Land. Daran wird sich auch bei dieser Wahl nichts ändern. Doch trotz der Dominanz der Christsozialen - in nur einer einzigen Gemeinde haben sei eine eigene Stimmenmehrheit. Ein interaktiver Überblick.

Von Florian Tempel

Der Landkreis ist CSU-Land. Bei den Landtags- und Bundestagswahlen im September 2013 hat die CSU souverän die absolute Mehrheit der Wählerstimmen geholt. Es gab Wahlbezirke, in denen drei Viertel der Wähler ihr Kreuz bei der CSU machten. Selbstverständlich sind alle herausragenden politischen Positionen im Landkreis ausnahmslos mit Mitgliedern der in Bayern staatstragenden Partei besetzt: Die Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf, Landrat Martin Bayerstorfer, Oberbürgermeister Max Gotz, Bezirksrat Franz Hofstetter, Hans Wiesmaier, der Kreisvorsitzende des Gemeindetags - alles Christsoziale. Und wenn eine Landkreis-Delegation zum Besuch der Grünen Woche in die Hauptstadt der Republik fährt, ist das wie ein Ausflug des CSU-Kreisvorstands.

Die Prognose, wer die Landratswahl gewinnt, ist leicht zu stellen. Martin Bayerstorfer wird sicher wiedergewählt. Als er 2002 erstmals antrat, holte er 67,9 Prozent der Stimmen, 2008 waren es 61,9 Prozent. SPD-Kandidat Michael Gruber hat vor sechs Jahren nicht einmal zwölf Prozent geschafft. Rainer Mehringer von den Freien Wähler kann kaum mehr erwarten, als die 10,2 Prozent, die zuletzt Karl-Heinz Jobst holte, der diesmal für die ÖDP antritt. Die Grüne Helga Stieglmeier musste bei der Landtagswahl erleben, dass auch ihr Potenzial begrenzt ist: Statt der erhofften 15 Prozent holte sie als Direktkandidatin nur 9,7 Prozent. Die Bewerber der FDP und der Republikaner werden das Kraut nicht fett machen. Selbst ein halbes Dutzend Gegenkandidaten wird Bayerstorfer nicht einmal in eine Stichwahl zwingen können.

Im Kreistag ist die Situation etwas anders. Nach der Wahl 2008 hatte die CSU keine Mehrheit. Doch dann passierte etwas Unglaubliches: Der damaligen Kreisgeschäftsführer und Dorfener Bürgermeisterkandidaten der Freien Wähler, Michael Oberhofer, wechselte unverfroren die Seiten, trat zwei Tage nach der Wahl bei der CSU ein und verhalf seinen neuen Parteifreunden im Kreistag zur absoluten Mehrheit. Angesichts der Erfolgswelle der CSU bei den großen Wahlen im vergangenen Herbst könnte es diesmal auch ohne Hilfe eines Wendehalses reichen. Alle anderen fürchten das und haben deshalb ein und dasselbe Wahlziel: Die Übermacht der CSU im Kreistag zu verhindern.

Ob der großen Beliebtheit des Erdinger OB Max Gotz, der sich seiner Wiederwahl ebenfalls sicher sein darf, teilen alle Nicht-CSU-ler in der Großen Kreisstadt die gleiche Angst: dass die CSU im Erdinger Stadtrat so viele Sitze holt, dass sie nicht einmal mehr auf die SPD angewiesen wäre.

Doch CSU-Mehrheiten in Stadt- und Gemeinderäten sind, das mag erstaunlich erscheinen, im eigentlich so tiefschwarzen Landkreis Erding bislang eine Seltenheit. Tatsächlich hat die CSU nur in einer einzigen Gemeinde eine eigene Stimmenmehrheit. Lediglich in Walpertskirchen konnte sich Bürgermeister Georg Heilmeier in den vergangenen sechs Jahren auf eine Mehrheit stützen, die den Namen der CSU trägt. Das ist verblüffend. Für eine Erklärung dieses Phänomens muss man bei den kleinen Gemeinden beginnen. Und man wird dabei verstehen, warum Parteien - und erst recht Themen - nur eine untergeordnete Rolle spielen.

In den vier kleinen Holzlandgemeinden ist es guter Brauch, dass alle Kandidaten für den Gemeinderat auf einer einzigen Liste antreten. Das ist ein durchaus schöner Gedanke. Denn Kommunalwahlen sind ja doch vor allem Persönlichkeitswahlen. Je kleiner eine Gemeinde, desto besser kennen sich die Menschen und wissen genau, welchem Mitbürger sie ihre Stimme geben wollen und wem nicht. Würde die CSU in dem ihr sonst so zugetanen Holzland eigene Listen aufstellen, wäre das ein Affront gegen das Gemeinschaftsgefühl. Dass in Hohenpolding, der Heimat von CSU-Kreischef Bayerstorfer, das Parteikürzel als Namensteil der Gemeinschaftsliste auftaucht, ist schon das Maximum an Parteipräsenz.

In Fraunberg gibt es zwar mehr als nur eine gemeinsame Liste, aber auch dort tritt die CSU nicht offen an. Das kommt einem, von außen betrachtet, ganz besonders komisch vor - lebt doch die Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf im Gemeindeort Maria Thalheim. Sie ist als Landesschatzmeisterin sogar Vorstands- und Präsidiumsmitglied der Bayern-CSU. Dennoch verzichtet der von ihr geführte CSU-Ortsverband auf einen eigene Liste bei den Gemeinderatswahlen. Warum nur? Die Gemeinde Fraunberg hat drei eigenständige Hauptorte. Freie Wählergemeinschaften oder Ortslisten wie die in Maria Thalheim, Reichenkirchen und Fraunberg haben nichts mit den Freien Wählern zu tun. Sie folgen zum einen demselben Gemeinschafts-Prinzip wie die gemeinsamen Listen im Holzland.

Die CSU ist nur scheinbar schwach

Zum zweiten sind sie so beliebt, weil sie die ganz lokalen Interessen der Gemeindeteile wahren. Das zeigt sich überdeutlich in der Gemeinde Oberding: Dort gibt es sechs Ortslisten, an die zuletzt 16 von 20 Sitze im Gemeinderat gingen. Oder auch in Dorfen: Dort sind die vier Listen, die über die Interessen der Außenorte wie Schwindkirchen, Esterndorf, Eibach, Grün- und Wasentegernbach wachen, eine Macht. Als Landlisten-Fraktion sind sie mit neun Sitzen die stärkste Gruppierung im Stadtrat.

In den oben genannten Orten ist die CSU freilich nur scheinbar schwach. In drei von vier Holzlandgemeinden, in Fraunberg, Oberding und Dorfen haben die Bürgermeister einen CSU-Parteiausweis.

Erst der dritte Grund, warum die CSU in den Gemeindegremien - zumindest nicht nominal - so dominiert wie auf höheren Ebenen, sind die anderen Parteien. Die Freien Wähler sind ein kommunalpolitischer Klassiker, die noch in sechs Kommunen die Bürgermeister stellen. Weil aber nicht alle freien Wählervereinigungen bei den Freien Wählern mitmachen, sind sie nur in der Hälfte der Gemeinden vertreten.

Die SPD ist mit Gemeinderäten in 19 Kommunen öfter dabei. Wörth ist herausragend: Bürgermeister Rudolf Borgo ist Sozialdemokrat und die SPD die stärkste Fraktion. Ulla Dieckmann hat also gute Chancen, die SPD-Tradition in Wörth fortzusetzen. Auch Nicole Schley kann es in Ottenhofen gelingen, als Sozialdemokratin Bürgermeisterin zu werden. Nicht weil die SPD dort so stark wäre, sondern weil sie auch die Kandidatin der Freien Wähler ist.

Und der Rest? Die Grünen haben es bislang lediglich in den beiden Städten und in zwei Gemeinden in die Gremien geschafft. Die FDP, die Republikaner sind nur in zwei Kommunen dabei, die ÖDP nur in Erding.

Aber wen wundert es, wenn schon die CSU auf kommunaler Ebene gar nicht so mächtig ist, wie man glauben möchte?

© SZ vom 01.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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