Hallbergmoos:Plädoyer für den ökologischen Landbau

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Grünen-Politiker Toni Wollschläger nimmt in Hallbergmoos kein Blatt vor den Mund. Er macht Monokulturen und Pestizide für den Verlust der Artenvielfalt verantwortlich und fordert eine extensive, tiergerechte Landwirtschaft

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Dicht gedrängt sind die gut 60 Besucher bei der Grünen-Veranstaltung zur modernen Landwirtschaft im Nebenzimmer der Parkwirtschaft gesessen. Und schon nach den ersten Worten des Referenten Toni Wollschläger, Fraktionssprecher der Grünen-Kreistagsfraktion und Biobauer, war klar, dass es alles andere als ein Heimspiel werden würde. Denn im Publikum saßen hörbar viele konventionelle Landwirte, die seine Ausführungen immer wieder kritisch kommentierten.

Kein Wunder. Toni Wollschläger nahm kein Blatt vor den Mund und die Zahlen und Fakten, die er präsentierte, waren alles andere als dazu angetan, die herkömmliche Landwirtschaft zu preisen. Eines aber stellte er von vornherein klar: "Wir müssen vor allem miteinander reden, es geht hier nicht um Schuldzuweisungen."

Das Wichtigste in der Landwirtschaft, auch in der modernen mit all ihrem Kunstdünger, ist und bleibt der Boden. Dem aber gehe es schlecht. Wie Wollschläger, der einst selbst konventionelle Landwirtschaft studiert hat, seit 27 Jahren aber ökologisch wirtschaftet, ausführte, ist der Ackerboden gefährdet. Nicht nur vom Siedlungs- und Straßenbau, für die in Bayern jeden Tag 13 Hektar zubetoniert werden, sondern auch wegen der Bauern selbst. Sie befahren ihn mit tonnenschweren Geräten, wodurch die Poren im Boden zusammen gepresst würden, ein Gasaustausch könne nicht mehr stattfinden.

Als zweiten Problempunkt nannte der Grünen-Politiker das Grundwasser. Düngung sei nötig, auch für den Biobauern, betonte Wollschläger, doch wenn mehr gedüngt werde, als die Pflanzen aufnehmen, wandere Nitrat in Gewässer und Grundwasser. Das Hauptproblem seien die Tiermastbetriebe. Das Futter werde importiert, die Gülle aber lande auf den heimischen Feldern. Der dritte Problemkreis seien die Pestizide. Ein anwesender Landwirt kritisierte die Wortwahl, lieber solle man Pflanzenschutzmittel sagen. Doch Wollschläger blieb dabei: Die Mittel seien vor allem dazu gedacht, andere Pflanzen zu töten. An 500 Messstellen in Bayern sei das Grundwasser 2014 untersucht worden, an 42,5 Prozent von ihnen seien Pestizide nachgewiesen worden, über zehn Prozent davon seien über den Grenzwerten gelegen. Dabei würden immer mehr Pestizide eingesetzt, so Wollschläger: Von 2005 bis 2015 gebe es einen Anstieg um 17 Prozent auf 34 500 Tonnen jährlich.

Schließlich nannte Wollschläger bei der Veranstaltung noch den Verlust der Artenvielfalt als augenfälligstes Problem. Monokulturen und Pestizide hätten dazu geführt, dass die Fluginsekten in den vergangenen Jahren um 75 Prozent weniger geworden seien. Dadurch verlören nicht nur Vögel, Amphibien und Säuger Nahrung, auch die Bestäuber fehlten zunehmend. Das Argumente, ohne Pestizide gehe es nicht, ließ der Biobauer nicht gelten: "Es geht, man muss sich nur ein bisschen umstellen."

Für die künftige Landwirtschaft hatte Wollschläger sechs Kriterien: extensiver, vielfältiger, kleinräumiger mit Hecken und Feldgehölzen, bodenbewusst, tiergerecht und verbraucherorientiert. Manch einer der Anwesenden schien ins Nachdenken gekommen zu sein, ein Landwirt aus Ismaning fragte, wie er als Familienvater sonst über die Runde kommen könne. Christian Meidinger, Grünen-Mitglied und Biobauer aus Ismaning, brachte sein eigenes Beispiel an. Er hab 2009 auf Bio umgestellt, und konnte jetzt seinen Nebenjob am Flughafen kündigen. "Das Umstellen hat mir eine Perspektive gegeben", sagte er und gab den Rat weiter: "Selbstvermarktung bedeutet Wertschöpfung." Das Argument ließ Toni Wollschläger so nicht stehen: "Wir könnten locker zwölf Millionen Menschen mit Biolandwirtschaft ernähren, aber dann müssen wir alle weniger Fleisch essen."

© SZ vom 05.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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