Gegenseitige Unterstützung:Lichtblick

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Alexander Fox und Andrea Martina wissen, wie es sich anfühlt, wenn das Leben sinnlos erscheint. Jetzt gründen sie eine Selbsthilfegruppe. (Foto: Christian Endt)

Betroffene gründen eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen in den Landkreisen Erding und Ebersberg

Von Theresa Parstorfer, Markt Schwaben

Es gab Tage, an denen wäre Alexander Fox am liebsten mit dem Auto gegen einen Baum gefahren. So elend fühlte er sich. So aussichtslos, so sinnlos kam ihm sein Leben vor. Heute weiß er, dass seine Depression Schuld war. Heute weiß er, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt und auch, wie er mit ihr umgehen kann. Aber er kann sich noch daran erinnern, wie hoch der Leidensdruck werden musste, bis er Hilfe suchte und auch, wie schnell es nach wie vor zu einem Rückfall kommen kann. Mittlerweile führt er wieder ein geregeltes Leben. Oft hätte er sich in der Vergangenheit jedoch den Austausch mit anderen Betroffen gewünscht. Im Umkreis von Markt Schwaben gab es dazu allerdings bisher keine Möglichkeit.

Deshalb hat Fox beschlossen, mit Andrea Martina, die seit 2013 an Depressionen leidet, eine Selbsthilfegruppe für Menschen in Markt Schwaben und Umgebung zu gründen. Für Menschen, denen es so ging oder immer noch so geht wie ihnen, die an Depressionen oder Angststörungen erkrankt sind. "Aktiv für die Psyche" soll sie heißen, die Gruppe, denn beide Gründungsmitglieder wissen, wie wichtig es ist, sich bewusst dafür zu entscheiden, etwas gegen depressive Phasen zu unternehmen.

Erst vor kurzem war Andrea Martina in einer Klinik, denn "gerade als ich dachte, ich wäre einigermaßen stabil, hatte ich einen Rückfall", sagt sie. Das ist keine Seltenheit, bestätigt Georg Knufmann, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Ebersberg, mit dem die Selbsthilfegruppe zusammenarbeiten möchte. "Sich gegenseitig zu stützen, hilft enorm", sagt er. Vor allem, wenn eine Psychotherapie oder ein Klinikaufenthalt zu Ende ist und ein Betroffener alleine klar kommen muss. Darüber zu sprechen, wie es ist, wenn man sich nicht mehr traut, aus dem Haus zu gehen, kann ein präventiver Schritt sein, sagt Knufmann. Er ist begeistert von der Initiative "der beiden jungen Akteure". 30 Jahre Berufserfahrung haben ihm gezeigt, dass Selbsthilfe im ambulanten Bereich unabdingbar ist. Deshalb wird der Sozialpsychiatrische Dienst die Gruppe unterstützen, wo und wann immer sie das bräuchten. Dass es dieses Angebot für den nördlichen Landkreis Ebersberg und den Landkreis Erding gibt, schließt laut Knufmann eine Versorgungslücke.

Neben Gesprächsrunden kann sich Andrea Martina auch vorstellen, gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. Sie ist Pädagogin und wird sich um die inhaltliche Gestaltung der Treffen kümmern. Alle zwei Wochen sollen sie stattfinden, vier Termine sind bereits festgesetzt. Bewusst offen möchte Andrea Martina die Planung noch lassen. "Wir wollen ganz flexibel auf Wünsche und Anregungen der Teilnehmer eingehen können", sagt sie. Wichtig war ihnen auch, dass die Gruppen sich in einer gemütlichen Atmosphäre treffen kann. "Sodass man sich geborgen und willkommen fühlt", sagt Andrea Martina. Die Räumlichkeiten im AWO-Seniorenzentrum, die sie nutzen dürfen, seien dafür ideal.

Voranmeldungen gibt es schon einige, obwohl die offizielle Bekanntmachungsphase gerade erst angelaufen ist. "Es ist erstaunlich, wie viele Leute tatsächlich Interesse bekunden", sagt Alexander Fox. "Wie viele Leute selbst betroffen sind", fügt er hinzu. Leute, die man lange kannte, Leute von denen man es niemals erwartet hätte. Das zeige, dass Depressionen nach wie vor ein Tabuthema sind. Wie ein "Phantom der Gesellschaft" fühle man sich, sagt Andrea Martina. Auch in dieser Hinsicht würden die beiden gerne etwas bewegen. "Depressionen sind eine Krankheit, die man sich nicht aussucht", sagt Fox. "Niemand sollte dafür stigmatisiert werden."

Informationsabende zu veranstalten könnten sie sich gut vorstellen, so wie der Sozialpsychiatrische Dienst in Ebersberg es derzeit schon tut. Für Angehörige, aber auch Arbeitgeber. Denn nicht selten komme es vor, dass es am Arbeitsplatz "komisch wird", wenn die Depression eines Angestellten bekannt wird, weiß Andrea Martina. Sie befindet sich gerade auf Stellensuche, deshalb ist Andrea Martina auch nicht ihr richtiger Name. Alexander Fox möchte aber explizit, dass sein Name veröffentlicht wird, denn eine große Hoffnung ist, dass es irgendwann kein Problem mehr ist, mit einer psychischen Krankheit in Verbindung gebracht zu werden. Bis es soweit ist, wünschen sich die beiden erst einmal, dass sich Betroffene trauen, zu den ersten Treffen ihrer Selbsthilfegruppe zu kommen. "Zehn bis 20", wären schön, sagt Fox. Alles weitere wird man sehen, wenn es soweit ist.

"Aktiv für die Psyche" trifft sich zum ersten Mal am 19. April um 18.15 Uhr im Speisesaal des Awo-Seniorenzentrums in der Trappenstraße 12 in Markt Schwaben. Weitere Treffen sind für den 3. und 17. Mai sowie den 14. Juni. geplant. Um Voranmeldung unter team@depression-ebersberg.de oder Telefon (08124) 444 49 66 wird gebeten.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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