Flughafen:Im Sicherheitstrakt

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Die FMG hat eine 15 Hektar große Ausgleichsfläche mit unter Strom stehenden Drähten eingezäunt, um Bodenbrüter wie Kiebitz und Brachvogel vor natürlichen Feinden zu schützen. Beim Bund Naturschutz sieht man das kritisch

Von Alexandra Vettori, Flughafen

Auch die Reste des einst mächtigen Moores, das sich in früheren Jahrhunderten von Dachau bis Freising erstreckte, sind noch ökologische Kleinode. So gehört das Freisinger Moos zwischen Freising, Giggenhausen und Pulling noch heute zu den größten zusammenhängenden Niedermoorgebieten Bayerns. Hier haben sich nicht nur seltene Pflanzen erhalten, sondern auch vom Aussterben bedrohte Vögel, darunter der Große Brachvogel. Das Kuriose: Ausgerechnet der Flughafen, der durch die für den Bau nötige Grundwasserabsenkung und die Versiegelung einstiger Wiesen großen ökologische Schaden verursacht hat, sorgt jetzt dafür, dass Brachvogel und Kiebitz einen geschützten Raum zum Brüten haben. Die Art und Weise, wie er das tut, gefällt jedoch nicht jedem.

Besucher und Fluggäste wundern sich immer wieder über das muntere Vogeltreiben auf den Wiesen zwischen den Rollfeldern. Hier, durch den Flughafenzaun vor Fressfeinden geschützt, finden vor allem bodenbrütende Vögel wie Kiebitze und Brachvögel gute Brutbedingungen. Seit drei Jahren versucht die Flughafen München Gesellschaft (FMG) das auch in freier Wildbahn. Im Freisinger Moos hat sie eine 15 Hektar große Ausgleichsfläche eingezäunt, dort, wo früher der Segelflughafen Lange Haken war. Um das gesamte Areal ziehen sich unter Strom stehende Drähte, so bleiben Fuchs, Marder und Wildschwein draußen. Der Erfolg sei überzeugend, sagt Marina Stern, Biologin bei der Flughafen München Gesellschaft. Während man insgesamt im Freisinger Moos 28 Kiebitz-Brutpaare gezählt habe, seien es innerhalb der umzäunten Fläche 32 gewesen. Ihres Wissens seien im vergangenen Jahr auch nur hier Jungvögel heran gewachsen.

Obwohl der Stromzaun das Überleben von Jungvögel offensichtlich wahrscheinlicher macht, scheiden sich an der "populationsstützenden Maßnahme" die Geister. Manfred Drobny, Geschäftsführer beim Bund Naturschutz in Freising, bezweifelt nicht nur die Zahlen der FMG, sondern sieht auch das Konzept kritisch: "Das ist sehr formal, nur, damit die notwendigen Zahlen auf dem Papier stehen, das hat aber nichts mit einem wirklichen Ausgleich von überbauter Fläche zu tun." Nach Erkenntnis des Bund Naturschutz sei dem auch nicht so, dass nur innerhalb des Zauns Jungvögel heran wachsen. Die Zaunmethode habe zwar dort Erfolg, wo der Fuchs die wesentliche Mortalitätsursache sei. Allerdings sei das selten der Fall. Ausschlaggebend nennt Drobny vielmehr den schwindenden Lebensraum durch Grundwasserabsenkung, Versiegelung und intensive Landwirtschaft. Und dass für die vom Flughafen gewünschte dritte Startbahn weiterer Brachvogel-Lebensraum verschwände, dürfe man auch nicht vergessen. Für die Vögel wären in jedem Fall feuchte Wiesen wichtiger als Zäune: "Wo die Wiesen feucht sind, gibt es weniger Mäuse und entsprechend weniger Füchse", so Drobny.

Dass es um die allgemeinen Bedingungen für Wiesenbrüter auch im Freisinger Moos nicht zum Besten steht, weiß auch Marina Stern von der FMG. Die vielen Brutpaare zeigten aber, wie wichtig gezielter Schutz sei. Stern verweist auf die zuletzt gezählten 191 Kiebitz- und 76 Brachvogelpaare in und um den Flughafen. "Ich wage zusagen, wir sind Top-1-Gebiet in Bayern bei den Großen Brachvögeln", betont sie. Damit, sagt sie, könne der Flughafen München auf mehr Brutpaare verweisen als die Schweiz. Denn innerhalb der Umzäunung, betont die Biologin, achte man auch bei Mahd und Wartungsfahrten genau darauf, die empfindliche Brutzeit nicht zu stören.

Das freilich kann außerhalb des Flughafenzaunes nur bei speziell unter Schutz gestellten Wiesen oder mittels Ausgleichsprogrammen für Landwirte sicher gestellt werden. Auf den übrigen Intensivwiesen beginnt demnächst die erste Mahd - fast immer das Todesurteil für die Jungvögel von Wiesenbrütern. Und noch jemand dürfte vom Zaun um die kräuterreichen, nahrhaften Wiesen nicht glücklich sein: Auch Rehe und Hasen kommen an den Stromdrähten nicht vorbei. Immerhin ist zumindest daran gedacht, dass sich Rehe nicht ungewollt einen Schlag holen. In ihrer Augenhöhe ist ein blau reflektierendes Band angebracht.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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