Die Familie hat es 1961 größtenteils selbst gebaut:Flammen in der Eisnacht

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Am späten Montagabend brennt in Forstinning ein Bauernhaus aus. Neun Feuerwehren aus der Region sind bei klirrender Kälte bis in die Morgenstunden beim Löschen. Es ist der komplizierteste Einsatz seit vielen Jahren

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Karl Obermayer war gerade von der Arbeit daheim. "Ich habe mich in die Stube gesetzt und den Fernseher angemacht", sagt er. Dann das Scheppern, Flammen im Hausgang. Er und seine Frau konnten nur noch aus der Haustür flüchten. Kurz darauf standen sie in der Forstinninger Nacht und schauten mit an, wie die Flammen den Dachstuhl erfassten. Karl und Britta Obermayer, Sohn Felix, dessen Freundin Miriam, die zweijährige Tochter Magdalena auf dem Arm. Sie standen vor ihrem Bauernhaus, das die Familie größtenteils selbst gebaut hat, 1961 war das. Jetzt ist davon nur noch eine Ruine übrig.

Dienstagvormittag im Forstinninger Ortsteil Schwaberwegen. Vogelgezwitscher am Waldrand, Spaziergänger mit Hunden, als wäre nichts gewesen. Doch der Schein trügt. Die Nacht hat schlimme Spuren hinterlassen: In einer Einfahrt an der Hauptstraße stehen Löschfahrzeuge, es riecht verbrannt. 57 Jahre stand hier das Bauernhaus der Obermayers, jetzt sind nur noch Mauern und Dachfragmente übrig. An der verkohlten Hauswand hat das Löschwasser Eiszapfen gebildet, durch den Krater im Dach dampft Rauch. Karl Obermayer ist komplett in schwarz gekleidet, Jacke, Schuhe, Hose. Er steht neben einem Dreirad, überdeckt mit gefrorenem Feuerwehr-Schaum. Er sagt: "Mich würde interessieren, wie das passieren konnte."

Es war eine lange Nacht in Forstinning. Die Kälte erschwerte die Löscharbeiten so sehr, dass die örtliche Feuerwehr vom kompliziertesten Brand seit vielen Jahren spricht. "An so einen schwierigen Einsatz erinnere ich mich nicht", sagt Kommandant Herbert Wagner am Dienstag. Er ist seit 1980 bei der Freiwilligen Feuerwehr Forstinning, jetzt steht er im Schutzanzug im Hof und kaut eine Käsebrot. Am Montagabend war er gerade zu Bett gegangen, als um halb elf das Handy klingelte. Das war der Anfang einer dramatischen Nacht.

Es dauert nur wenige Minuten, da standen Wagner und seine Forstinninger Kollegen in voller Montur im Hof. "Als wir da waren, brannte der Dachstuhl schon lichterloh", sagt Wagner. Die Feuerwehren aus Anzing und Markt Schwaben waren auch sofort da. "Wir haben aber schnell gemerkt, dass es nicht reicht, weil sich die Flammen zu schnell ausbreiteten", sagt Wagner. Das Problem: Die Holztreppe im Haus stand bereits komplett in Brand. "Wir konnten nicht ins Haus rein", sagt Wagner. Im dicht besiedelten Schwaberwegen drohte das Feuer auf umstehende Häuser überzugehen, die Lage war sehr ernst. "Also haben wir Verstärkung gerufen", sagt Wagner.

Und so zeigte sich in der Nacht von Forstinning, wie die Menschen in der Region in schweren Stunden zusammenhalten. Es dauerte nicht lange, da rückten sechs weitere Feuerwehren an: Aus Parsdorf, Steinhöring, Ebersberg und Neufarn im Landkreis Ebersberg - und aus Feldkirchen (Kreis München) und Forstern (Kreis Erding). Insgesamt waren in der Forstinninger Eisnacht knapp 80 Feuerwehrler im Einsatz. Und die standen die eisige Nacht durch. Auch weil die Pension Eberherr spontan aufsperrte und Tee und Brezen spendierte. Ein Gastwirt aus Niederried brachte Wurst- und Käsesemmeln vorbei. Und ein unbekannter Gönner stellte den Männern gar einen Zehn-Liter-Topf Gulaschsuppe hin.

Die eisige Kälte machte es so schwierig - nicht nur weil der Frost in die Glieder fuhr: Bei Temperaturen von Minus 15 Grad gefror das Löschwasser auf dem Boden. "Es war spiegelglatt", sagt Kommandant Wagner. Die überflutete Hauptstraße durch Schwaberwegen wurde deshalb bis fünf Uhr früh gesperrt. Damit sich kein Feuerwehrler den Hax bricht, rückten Gemeindearbeiter mit Streuwagen und Salz aus. Trotz vier Großtanklöschfahrzeugen aus Forstinning, Steinhöring, Parsdorf und Feldkirchen war es ein stundenlanger Kampf. Jeden der vier 5000-Liter-Tanks füllten sie vier bis fünf mal nach. Als das Feuer um kurz vor zwei gelöscht war, da waren um die 100 000 Liter Wasser verspritzt.

Es ist Mittag geworden, ein Gutachter und ein Kriminalbeamter sind nach Schwaberwegen gekommen. Sie stehen auf der Drehleiter und schauen von oben in den dampfenden Krater. Bevor sie zur genauen Inspektion ins Haus rein können, muss wohl eine Wand eingerissen werden. Das wird erst in den kommenden Tagen passieren, teilt das Polizeipräsidium Oberbayern Nord am Nachmittag mit. Bis dato gebe es kaum Informationen zur Ursache. Vielleicht ein Elektrogerät, ein Kurzschluss? Die Polizei schließt lediglich Brandstiftung aus. "Das Haus war rundum abgeschlossen", sagt Feuerwehrler Wagner.

Karl Obermayer steht immer noch da und schaut auf sein ausgebranntes Haus. Am Abend wird es dort nochmal brennen, das weiß er jetzt noch nicht. Auch nicht, dass die abgebrannte Haushälfte deswegen noch heute komplett abgerissen werden muss. Dass nicht mehr viel zu retten sein wird, das ist aber auch jetzt schon klar.

Der Hausherr könnte verzweifelt sein, oder wütend. Es wäre verständlich, jetzt wo Reporter und Leute mit Fernsehkameras über sein Grundstück schleichen. Stattdessen hat der 49-Jährige was zu sagen. Dass er dankbar sei, weil niemandem was passiert ist, im Haus und davor, sagt Obermayer. Dafür, dass die Männer im Schutzanzug das Nebenhaus retten konnten, wo der Sohn mit seiner Familie wohnt. Und dafür, dass sie alle beim Nachbar einen warmen Platz haben. "Wir haben ein Angebot, dass wir dort erst mal Asyl bekommen", sagt Obermayer.

Den abgebrannten Teil hat er selbst gemauert, geweißelt und gezimmert. Jetzt ist alles hin, 200 000 Euro ist der Schaden mindestens, so die Schätzung der Polizei vor dem Abriss, wahrscheinlich ist es deutlich mehr. Trotzdem kann Karl Obermayer kurz lächeln. Es muss weitergehen. Er sagt: "Das müssen wir jetzt wieder aufbauen."

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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