Amtsgericht Freising:Reine Notwehr

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Richter Michael Geltl spricht einen Neufahrner vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Der hatte sich eine Rangelei mit einem angetrunkenen Nachbarn geliefert

Von Alexander Kappen, Neufahrn

Dass ihn die Auseinandersetzung körperlich ganz schön mit genommen hat, ist kaum von der Hand zu weisen. Der 58-jährige Bewohner eines Neufahrner Mehrfamilienhauses trug aus der Schlägerei mit seinem Nachbarn im April dieses Jahres eine frontale Kopfplatzwunde und zwei Rippenbrüche davon. Deshalb musste sich sein 63-jähriger Widersacher jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten. Gegen einen Strafbefehl in der Sache hatte er Einspruch eingelegt. Letztlich mit Erfolg. "Der genaue Tathergang konnte heute nicht geklärt werden", konstatierte die Staatsanwältin am Ende der Beweisaufnahme am Amtsgericht und beantragte, den Angeklagten freizusprechen. Richter Michael Geltl sah es genauso und kam diesem Antrag nach.

Der Angeklagte wollte nicht leugnen, dass es an jenem Vormittag im Hausflur zu einer Rauferei gekommen war, "aber das war kein Vorsatz, sondern mehr Notwehr", beteuerte er in der Verhandlung. Der 58-jährige Nachbar sei ihm an dem Vormittag stark alkoholisiert über den Weg gelaufen, habe ihm zur Begrüßung die Hand geschüttelt und dann allerdings nicht mehr ausgelassen. Darauf habe er den 58-Jährigen wegdrücken wollen. Der habe trotz mehrmaliger Aufforderung nicht auslassen wollen. "Und dann sind wir auf den Boden gegangen und ich bin auf ihn drauf gefallen", berichtete der Angeklagte. Womöglich habe sich sein Kontrahent dabei die Rippenbrüche zugezogen, "ich bin ja 25 Klio schwerer als er". Mit der Hand, so gab der 63-Jährige zu, "hab ich ihm schon einmal eine reinlassen". Aber mit den Füßen zugetreten, wie es im Strafbefehl hieß, habe er nicht. Um seinen Schilderungen Nachdruck zu verleihen, stand der Angeklagte im Gerichtssaal auf und stellte nach, wie sich alles zugetragen hatte.

Sein Nachbar, der sich an den Grund der Auseinandersetzung in der Verhandlung nicht mehr erinnern konnte, blieb bei der Version, dass der Angeklagte ihn mit den Füßen getreten habe, als er selbst am Boden gelegen habe. Er räumte allerdings ein, sich an der Jacke des Angeklagten festgekrallt zu haben: "Ich wollte, dass er mir hoch hilft."

Nach der Auseinandersetzung zeigten die beiden Streithähne sich gegenseitig an. Dann sprachen sie sich jedoch aus und zogen ihre Anzeigen wieder zurück. Die ganze Aktion sei völlig unnötig gewesen, so der Angeklagte. Er habe das seinem Nachbarn auch klar gemacht. Ich habe gesagt "jetzt hast du den Scheiß, hättest du mich nicht angegriffen, wäre nichts passiert".

Letztlich stehe Aussage gegen Aussage, fasste der Richter zusammen, "und es ist nicht auszuschließen, dass der Geschädigte sich was zusammenfantasiert". Und wenn man von einem Betrunkenen angegriffen werde "und der nicht mehr loslässt, darf man auch mal zuschlagen - ich hätte den Angeklagten auch wegen Notwehr freigesprochen".

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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