Ästhetischer Zweckbau:Ausflug zur Tankstelle

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Die neue Rastanlage westlich der Autobahn A 9 bei Fürholzen hat viele Menschen neugierig gemacht. Manche fahren eigens zum Kaffeetrinken dorthin und schauen sich das Gelände an

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Cordula Heumann hat weder Stau noch ermüdende Strecken hinter sich. Sie hat mit dem Auto gerade mal ein paar Minuten gebraucht und macht auch nicht nur Zwischenstation. Die neue Tank- und Rastanlage westlich der Autobahn A 9 ist an diesem Tag ihr Ausflugsziel, und die Fürholzenerin wird nicht zum letzten Mal da gewesen sein: "Ich bin begeistert." Dabei schweift ihr Blick durch den Gastraum: von der lang gezogenen Küchentheke über trendige Holzmöbel zu den großen Panoramafenstern, durch die man auf einen großen Spielplatz und den Biergarten schaut. Zwei "Oktoberfest-Bier" kosten 6,30 Euro. Das sei billiger als in so manchem Gasthaus in der Umgebung, stellt Cordula Heumann fest.

Früher, als Schülerin, hat sie im alten Rasthaus auf der östlichen Seite der Autobahn gearbeitet. Dieses wurde komplett erneuert und erweitert, und vor gut zwei Wochen wurde die neue Anlage westlich der A 9 eröffnet. Als "modernste Autobahnraststätte Deutschlands" wird sie bezeichnet. Zum Beispiel, weil sie mehr Energie produzieren als verbrauchen soll. Die "Tank & Rast"-Gruppe verweist auf ein "innovatives Wärme- und Stromerzeugungskonzept": Mit Strom aus Fotovoltaikanlagen wird Wasserstoff produziert, der wiederum zur Wärme- und Energieerzeugung in einem Blockheizkraftwerk verwendet wird. Außerdem können Autos Wasserstoff tanken - neben Diesel, Benzin, Strom und Erdgas.

In der Startphase ist der Andrang auf das alternative Angebot aber überschaubar. Man muss eine Zeitlang warten, bis ein Autofahrer die Stromladesäule anzapft, im konkreten Fall tut er das ohne Not. Eigentlich habe er den Akku erst in Schweitenkirchen aufgeladen, erzählt der Mann, der von der Hallertau zum Starnberger See fährt. Hier wolle er jetzt die Anlage testen, "und vor allem mal die Gaststätte ausprobieren." So geht es auch dem Ehepaar, das an einem der Tische sitzt und sich auf dem Heimweg von einer Ausstellung in Ingolstadt nach München nun zum Kaffee einen Kuchen teilt: "Wir sind nur aus Neugierde hier", erzählen die beiden freimütig. "Optisch ist es sehr schön", stellt die Frau fest und schmunzelt: "Aber ganz hab ich mich noch nicht zurechtgefunden." Der Gastraum hat 175 Sitzplätze in stilistisch unterschiedlichen Bereichen. Ein langer Tisch mit großem Blumenbouquet kann bei Bedarf mit Glaswänden abgetrennt und somit zum Mobiliar eines Tagungsraumes werden.

Wirklich zukunftsweisend sind die verschiedenen Antriebsstoffe, die man tanken kann: Benzin und Strom natürlich, aber auch Wasserstoff und Erdgas. (Foto: Marco Einfeldt)

Wer durch den wellenartig geschwungenen Bau schlendert, kommt irgendwann in den Tankshop. An den Stehtischen gönnt sich gerade eine aus Nürnberg kommende Bruckmühler Familie einen schnellen Kaffee. Als "super-schön" und "gepflegt" lobt die Frau die Anlage. Der Mann nickt. Ärgerlich findet er aber, dass man - wie mittlerweile an fast allen Raststätten - für die Benutzung der Toilette zahlen muss, auch wenn man etwas konsumiert hat. Viele Bewohner des nahen Fürholzens hatten die Bauarbeiten an der Anlage auf beiden Seiten der Autobahn, vor allem aber auf "ihrer" Seite im Osten, mit Skepsis verfolgt. Sie fürchten noch mehr Lärm durch rund um die Uhr an-und abfahrende Fahrzeuge sowie eine weitere Zuspitzung der Hochwassergefahr durch die Flächenversiegelung. Neben Tankstellen und Raststätten sind insgesamt mehr als 300 Pkw-Parkplätze und rund 250 Lkw-Stellplätze entstanden.

Wer an einem Sonntagnachmittag auf die westliche Anlage schaut, wird Lastwagen an Lastwagen sehen - und vielleicht auch jenen Fahrer, der die Weitläufigkeit des Areals noch aus einem anderen Grund zu schätzen weiß: Er drehte an diesem Tag mit Joggingschuhen Runde um Runde, vorbei an dem Carport mit den "Wechselrichtern", die an große und scheinbar funktionslose Monitore erinnern. Tatsächlich wandeln die "Wechselrichter" den Gleichstrom der Fotovoltaikanlage auf dem Carport-Dach in Wechselstrom um, wie "Tank & Rast"-Sprecherin Bettina Schaper erklärt. High Tech hin oder her. Es gibt auch an dieser Rastanlage noch Gäste, die das alles nicht brauchen: Zum Beispiel die Mutter, die das Essen für ihr Kleinkind mit eigenem Gaskocher aufwärmt. Oder die Autofahrer, die ganz ohne Scheibenreiniger-Zapfsäule auskommen. Und Cordula Heumann wird auch künftig immer wieder mal kommen, um einen Kaffee zu trinken. "Wenn man nicht weiß, was man tun soll, braucht man nur hierher zu gehen", sagt sie lachend.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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