Entwürfe:Machbare Utopien

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Es muss nicht immer eine fade Lärmschutzwand sein: Was Studenten auf dem Areal der Bayernkaserne errichten würden

Von Jerzy Sobotta

Hinter Schranken und Zäunen lebten hier einst Soldaten, dann Flüchtlinge und Obdachlose. Im kommenden Jahr wird die Bayernkaserne zur Mammutbaustelle. Es ist eine stadtplanerische Herausforderung, denn niemand will die Fehler der Großbausiedlungen aus den Siebzigerjahren wiederholen, leblose Betonwüsten schaffen. Inspiration hat sich die Stadt nun bei Studenten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf geholt. Sechs Entwürfe hängen im Foyer des Planungsreferats und zeigen, wie innovativ die Fläche gestaltet werden könnte.

Die angehenden Landschaftsarchitekten haben Raumkonzepte für einen 700 Meter langen Grünstreifen entwickelt, der auf der Nordseite das 58 Hektar große Wohnquartier von der Heidemannstraße trennt. Eine kniffelige Angelegenheit, denn das Gelände hat gleich mehrere Aufgaben zu erfüllen: Es soll den Lärm der stark befahrenen Straße abhalten und den rund 15 000 künftigen Bewohnern Erholung und einen Freiraum bieten, an dem sie gerne ihre Freizeit verbringen. Kinder und Familien sollen dabei ebenso auf ihre Kosten kommen wie Jugendliche, Jogger, Senioren und Flaneure.

Das Areal der Bayernkaserne nach einer Idee von Saskia Schrader, Daniela Radermacher und Sabine Stockbauer. (Foto: Projektseminar)

So entstanden sechs grundverschiedene Entwürfe, die statt einer langen Schallschutzwand einen landschaftlich interessanten und lebenswerten Ort zeigen. "Uns war wichtig, mehrschichtig zu denken. Stadtplanung ist interdisziplinär und muss die verschiedenen Bedürfnisse ganzheitlich ins Auge nehmen", sagt Uta Stock-Gruber, Professorin für Landschaftsarchitektur, die ihre Studenten bei der Planung betreut hat.

Wie kann ein Skatepark, ein Fußballfeld, eine Bushaltestelle oder Fahrradstrecke organisch in einen Schallschutzwall komponiert werden? Und dabei noch eine Verbindung in die angrenzenden Wohnviertel schaffen? Die Lösungen reichen von grünen Brücken über konzeptionell gestaltete "Skywalks" bis zu einem "Stadtregal", in dem eine Art Kastensystem mit Spielplätzen, einem Freilichttheater oder Cafés bestückt und wieder verändert werden kann. Partizipation der Bewohner steht dabei im Vordergrund.

Der Entwurf von Hanna Waschek, David Karg und Tanja Camphausen. (Foto: Projektseminar)

Die Arbeiten seien ebenso vielfältig wie überzeugend, resümiert die Professorin. "Sie zeigen, was für Potenziale in dieser schwer zu planenden Fläche stecken." Genau darum ging es auch Kerstin Langer vom Planungsreferat der Stadt, als sie das Projekt anregte. Sie wollte damit eine Diskussion unter ihren Kollegen anstoßen. "Das Tolle an den Entwürfen ist, dass es nicht um die finanzielle Machbarkeit geht, sondern um die Idee", erklärt sie. In die Realität werden die Lehrstücke allerdings nie umgesetzt. Es sind Denkanstöße, die den pragmatischen Erwägungen im planerischen Alltagsgeschäft einen Ruck geben sollen. "Was letztlich gebaut wird, das bestimmt doch der Diskurs", findet auch Stock-Gruber. Planen heißt für sie, ein Stück Baukultur zu erschaffen.

Vor und nach der Arbeit kommen immer wieder Mitarbeiter der Stadt vorbei. Sie beäugen die bunten Plakate und verschwinden wieder in ihren Büros. Einige von ihnen arbeiten sicherlich auch an dem Bebauungsplan, in dem gerade über das künftige Aussehen der Bayernkaserne entschieden wird.

Auch der Laie kann in der Ausstellung viel Anregendes finden. Vor allem, wenn er an die tristen Schallschutzwände denkt, die allerorts die Straßen säumen. Entstanden ist eine kleine Utopie des Machbaren, die unsere Wahrnehmung schult - darüber, in welcher Stadt wir leben wollen.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum Freitag, 22. Juni, im Foyer des Planungsreferats an der Blumenstraße 28b. Sie hat montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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