Elendshäuser in München:Stadt nimmt Staatsregierung in die Pflicht

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Abgezockte Mieter? Das sogenannte Elendshaus von Kirchtrudering. (Foto: Robert Haas)

Um gegen skrupellose Vermieter sogenannter Elendshäuser vorgehen zu können, fordern SPD, Grüne und der Münchner Oberbürgermeister eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen. Die CSU sieht die Versäumnisse an anderer Stelle.

Von Dominik Hutter und Sven Loerzer

Die Stadt will alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um den Vermietern sogenannter Elendshäuser das Handwerk zu legen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kündigte am Donnerstag an, die etwa zwei Dutzend auf einer Liste des Sozialreferats verzeichneten Gebäude zu überprüfen und notfalls einzuschreiten. "Ich bin empört, dass Leute in Not so kalt lächelnd abgezockt werden", sagte Reiter mit Bezug auf Hausbesitzer, die arme Arbeitsmigranten zu Wucherpreisen in heruntergekommenen Schlafstätten unterbringen.

Problematisch sei allerdings, dass die Kommune meist nur dann wirkungsvoll eingreifen könne, wenn der Zustand der Häuser eine Gefahr für Leib und Leben darstelle. Reiter mahnt daher geeignete gesetzliche Grundlagen an - was aber in der Kompetenz des Freistaats liege: über die Wiedereinführung des 2005 abgeschafften Wohnungsaufsichtsgesetzes.

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Stadtratsanträge liegen bereits vor

Stadtratsanträge, entsprechende Gespräche mit dem Freistaat zu führen, liegen bereits vor: von der SPD, die damit auf das Bekanntwerden der Liste am Mittwoch reagierte, und von den Grünen, die bereits Ende Oktober die Initiative ergriffen hatte, nachdem das heruntergekommene Haus in Kirchtrudering bekannt geworden war. "Eigentum verpflichtet", erinnerte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. "Es wäre dringend angesagt, dass die Stadt von Vermietern tatsächlich einfordern kann, sich an diesen Grundsatz zu halten."

Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel forderte, gegen Vermieter die höchstmögliche Strafe zu verhängen und sie so dazu zu bringen, ihrer Verantwortung nachzukommen. Demirel sieht die Stadt in jedem Fall in der Pflicht - auch wenn es sich bei den Betroffenen um Zuwanderer aus dem EU-Ausland handelt, die eigentlich keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. "So lange das Kindeswohl gefährdet sein könnte, ist die Verwaltung zuständig."

Mit der Wiedereinführung des Wohnungsaufsichtsgesetzes könnte die Stadt in die Lage versetzt werden, juristisch gegen Eigentümer vorzugehen, die ihre Wohnungen vernachlässigen, hofft Reissl. Dazu müssten klare Mindestanforderungen an Wohnraum sowie eine Definition von Überbelegung festgelegt werden. Kommunale Behörden müssten Häuser unangemeldet kontrollieren dürfen und die Eigentümer notfalls mit Ordnungsmaßnahmen zwingen, die Räume in akzeptablem Zustand zu halten.

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Ein "massives Versäumnis" des Sozialreferats

Damit bekannt gewordene Fälle nicht bei den Behörden versacken, will Bürgermeister Josef Schmid (CSU) im Zuge der angekündigten Verwaltungsreform die Abstimmungsprozesse "schlanker und effektiver" machen. Dabei müssten auch übertriebene Datenschutzvorschriften auf den Prüfstand. CSU-Fraktionssprecher Hans Podiuk kritisierte, dass das Sozialreferat nicht früher eingeschritten sei. Das sei ein "massives Versäumnis".

"In das privatrechtlich bestehende Mietverhältnis können wir nicht hineingrätschen", sagte Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) zu den Zuständen in einem heruntergekommenen Laimer Appartementhaus. Sie habe durchaus Verständnis dafür, dass einem Mitarbeiter ihres Referats "das Herz übergegangen" sei, weil Jobcenter und Sozialamt die Miete übernehmen müssen.

Der Mitarbeiter hatte beklagt, dass die Ämter die Situation durch die Zahlung unangemessener Mieten aufrecht erhielten. Meier sagte dagegen, eine Prüfung habe ergeben, dass die für Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher geltenden Mietobergrenzen in dem Laimer Haus nicht überschritten werden. Den Ämtern stehe es rechtlich nicht zu, die Miete wegen schlechter Wohnverhältnisse zu mindern. Mitarbeiter der Lokalbaukommission und des Brandschutzes würden das Haus aber demnächst auf bauliche Mängel untersuchen.

© SZ vom 21.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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