Element of Crime in München:Mit Hingabe geschrammelt

Lesezeit: 2 min

Sven Regener und seine Band Element of Crime sind erwachsen geworden. Ihr Auftritt in der Münchner Tonhalle war ein Ausflug in die Vergangenheit.

Nina Berendonk

"Danke, Ihr Lieben!" - für jene Zuschauer in der Münchner Tonhalle, die Element of Crime Anfang der neunziger Jahren einmal auf der Bühne gesehen haben, kommen diese freundlich-gelösten Worte von Frontmann und Sänger Sven Regener nach der vierten Zugabe einer kleinen Sensation gleich.

Sven Regener, der Frontmann vonElement of Crime. (Foto: Foto: ddp)

Damals stand Regener trotz der plötzlichen Popularität mit dem Album "Weißes Papier" noch in der ausgebeulten Strickjacke auf der Bühne, krallte sich mit gesenktem Blick an seiner Trompete fest und murmelte zwischen zwei Songs ein scheues "Danke, München" und "Wir sind Element of Crime".

Wer sie sind, das musste die Berliner Combo mit der eigenwilligen Mischung aus Gitarrenrock, Musettewalzer, Regeners Kneipenstimme und seinen bittersüßen Texten schon damals niemandem mehr sagen. Deutschen Texten, wohlgemerkt: Seitdem Regener ab 1991 nicht mehr auf Englisch schrieb, galten Element of Crime vielen als eine der wenigen deutsch singenden Bands des Landes, für deren CDs im Regal man sich selbst als halbwegs intelligenter Mensch nicht vor Besuch entschuldigen musste.

Heute aber, sechs Alben, drei "Herr Lehmann"-Bücher, eine Verfilmung und eine zweite "Neue Deutsche Welle" später, hat die offensichtlich noch einmal gewachsene Element of Crime-Anhängerschaft im Nu alle Tickets der Tour aufgekauft (Zusatztermin in München: 10. Februar).

Wobei ein Blick durch die rappelvolle Halle die Vermutung nahelegt, dass es vor allem die halbwegs intelligenten Menschen von damals sind, die hier ihre Vergangenheit heraufbeschwören, sich bei schrecklich profanem Plastikbecher-Bier in Erinnerungen an Sturm, Drang und zu viel billigen Rotwein in den Achtzigern und Neunzigern wiegen, und nur wenige junge Fans nachwachsen.

Diese nicht mehr ganz so jungen Menschen jedenfalls tragen nun einen deutlich abgeklärteren und entspannteren Regener - auch er wird im kommenden Jahr 50 - durch das mehr als zweistündige Konzert. Der Achtziger-Existentialismus, der die englischen Alben und der Trennungsschmerz, der "Weißes Papier" so wunderbar gemacht haben, sind vorbei, Regener trägt einen schicken Haarschnitt und ein schwarzes Hemd, er hat eine Tochter, kennt sich auf Berliner Spielplätzen aus, und er traut sich, mit dem Publikum zu sprechen und zu scherzen. Bremerisch-verhalten zwar, aber immerhin.

Und: Er ist nach all den Jahren im Scheinwerferlicht Profi genug, den Leuten da unten zu geben, was sie von diesem Abend erwarten. Die schmissigsten Stücke vom neuen Album "Immer da wo du bist, bin ich nicht", klar, schließlich ist man damit auf Tournee. Aber dann: Fein ausgewählte englische Songs für all jene Mittvierziger, die der Meinung sind, dass Sachen wie "Nervous and blue" oder "Don't you smile" halt einfach "nicht so poetisch verblasen" sind wie das deutschsprachige Repertoire, und immer wieder die wortmächtigen Lieder von "Weißes Papier", die vor allem den Zuhörern in den Dreißigern ihren ersten erwachsenen Liebeskummer in Kopf und Bauch zu rufen scheinen.

Regener macht den Eindruck, sowieso nur die Stücke zu spielen, die er liebt, und tut das mit großer Konzentration. Die größte Hingabe aber zeigt er bei den deutlich weniger gedrechselten alten Liedern auf Englisch: Da schrammelt und röhrt er mit so wildem Spaß, dass sogar die Zuschauer auf der Empore beginnen, mit den Köpfen zu wackeln. Nach vier Zugaben lassen sie Regener und seine Truppe offensichtlich schweren Herzens hinter der Bühne verschwinden, dann geht es wieder heim in dieses seltsam erwachsen gewordene Leben. Wenn es nicht so spießig wäre, müsste man diese Musik mal den Kindern näherbringen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: